Wie viele Führungskräfte haben einen Migrationshintergrund? Laut einer Studie aus dem Jahr 2019 des Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) hatten 91 Prozent der untersuchten Führungskräfte in Deutschland keinen Migrationshintergrund.
Wer die deutsche Staatsangehörigkeit nicht durch Geburt besitzt oder mindestens einen Elternteil hat, bei dem das der Fall ist, hat einen sogenannten Migrationshintergrund. Per Juni 2023 waren das in Deutschland 23,8 Millionen Menschen. Dazu kommen 13,4 Millionen Ausländer, also Personen, die die deutsche Staatsbürgerschaft nicht besitzen.
In Deutschland leben rund 46 Millionen Erwerbstätige. Man muss also kein Mathematiker sein, um zu erkennen, dass hier Menschen mit Migrationshintergrund unterrepräsentiert sind. Aber ist das wirklich so und würde eine Quote dieser Gruppe helfen?
Um es vorwegzunehmen: Die Antwort lautet nein. Ich halte Quoten nicht grundsätzlich für gut oder schlecht. Beispielsweise halte ich die Frauenquote für eine notwendige und sinnvolle Intervention des Staates. Die Quote sieht vor, dass mindestens 30 Prozent der Aufsichtsratsposten mit Frauen besetzt sein müssen. Die Regelung ist im sogenannten „Führungspositionen-Gesetz“ verankert und trat vor mehr als acht Jahren in Kraft.
Seitdem ist viel passiert: Der Anteil von Frauen in den Vorstandsetagen der Dax-, MDax- und SDax-Unternehmen stieg dem Mixed-Leadership-Barometer von EY zufolge im Jahr 2022 auf einen neuen Höchststand und ist mit 15,5 Prozent (Vorjahr: 13,2 Prozent) sogar ungefähr doppelt so hoch wie vor vier Jahren (7,9 Prozent).
Ist eine Quote für Aufsichtsräte mit Migrationshintergrund sinnvoll?
Bei aller Freude über die Zahlen des EY-Barometers bleibt zu berücksichtigen, dass es beim Führungspositionen-Gesetz konkret um die Aufsichtsratsposten geht. Nach den Zahlen des aktuellen Women-on-Board-Index (Stand Februar 2023) erreichen derzeit nur 54 der 183 Unternehmen die Quote. Dennoch: Die Frauenquote ist ein Erfolg – für alle.
Warum lautet die Antwort also nein, wenn doch die Frauenquote eine Erfolgsgeschichte darstellt?
Ich bin Deutscher und habe einen Migrationshintergrund, meine Eltern kommen aus dem Iran. Sie sind 1975 und 1977 als Studenten nach Berlin gekommen, haben sich im Studentenwohnheim kennengelernt und sich nach der Revolution 1979 im Iran dazu entschieden, in Deutschland zu bleiben.
Der Anteil von Menschen im Alter von 15 bis 45 Jahren mit Migrationshintergrund in Deutschland liegt bei 35%. Der Wert war Anfang der 2010er Jahre sicherlich niedriger, dennoch wunderte ich mich damals bei Audi in Ingolstadt schon sehr. Warum sehe ich gefühlt kaum andere, die so aussehen wie ich: dunkle Haare, dunklere Haut. Es gab sie schon, allerdings zumeist im Blaumann. Würde ich deswegen der Audi AG systemischen Rassismus vorwerfen? Niemals! Ich habe dort fast ausschließlich weltoffene und herzliche Menschen kennengelernt. Meine Chefin bei Audi China war die einzige Frau im Management und die einzige Nicht-Deutsche. Bis heute die beste Führungskraft, die ich jemals hatte.
Um zu verstehen, ob wirklich ein grobes Missverhältnis vorliegt, müssen die vorher genannten Zahlen genauer unter die Lupe genommen werden. Wenn also das DeZIM darlegt, dass nur 9% der Führungskräfte einen Migrationshintergrund haben, sollte berücksichtigt werden, dass hierfür auch das Alter eine Rolle spielt:
- Bei den 45- bis unter 55-jährigen hat jeder Vierte einen Migrationshintergrund;
- Bei den 55- bis unter 65-jährigen etwas mehr als jeder Sechste.
- Führungskräfte sind in der Regel keine Berufseinsteiger und Top-Führungskräfte sind häufig zwischen 45 und 60 Jahre alt.
Ohne daraus einen schlechten Statistikaufsatz machen zu wollen, lässt sich doch erkennen, dass das Verhältnis nicht besorgniserregend wirkt. Diversität oder Vielfalt lässt sich in den Unternehmen auch ohne Zwangsmaßnahmen fördern.
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Fazit: Gleiche Erfolgsmerkmale für alle statt eine Quote für Aufsichtsräte mit Migrationshintergrund
Die Besetzung der Vorstandspositionen obliegt auch nach Inkrafttreten der Frauenquote weiterhin den jeweiligen Unternehmen und das ist auch gut so. In den unzähligen Gesprächen, die ich mit Executives geführt habe, haben fast alle die gleichen Merkmale für ihren Erfolg erwähnt: Fleiß, Erfolg, Timing, Glück und einen Mentor.
Eine Quote hilft den Menschen mit Migrationshintergrund vielleicht in die Aufsichtsräte zu kommen, aber als staatliche Intervention halte ich sie aus heutigen Gesichtspunkten für unverhältnismäßig.
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