Schluss mit der Verherrlichung der Aufsichtsräte

Schluss mit der Verherrlichung der Aufsichtsräte

Schluss mit der Verherrlichung der Aufsichtsräte 1024 683 Dr. Viktoria Kickinger

Eine stetig anwachsende Zahl an – teilweise durchaus interessanten – Persönlichkeiten peilt als nächste Stufe der Karriere eine Position in einem Aufsichtsgremium an. Dies zeigen Umfragen und Anfragen, sehr oft selbstbewusst, gelegentlich bittend. Woher kommt dieses nur schwer stillbare Bedürfnis: Ich will Aufsichtsrat sein!?

Ausschlaggebend für die heutige Vehemenz dieses Ziels ist der Hype, der vor mehr als 20 Jahren mit dem KonTrAG* begonnen hat.

Damals zeichnete sich zaghaft der Aufgabenwandel vom vermeintlichen Ehrenamt zum ernsthaften Kontrollorgan mit Rechten, Pflichten und nicht zu unterschätzender Haftung ab. Es war der Anfang vom Ende der Deutschland AG.

Realitätsfernes Image in den Medien

Mit den großen Börsengängen kamen nun auch Aufsichtsräte gelegentlich in die Medien. Bald wurden Bestverdiener identifiziert. In Hochglanzmagazinen wurden Wochenend-Weiterbildungen auf Schlössern und Kreuzfahrten angeboten, zu horrenden Preisen. Fertig war das realitätsferne Image. Hinzu kam Anfang des neuen Jahrhunderts die Forderung nach Frauen in Aufsichtsräten, die dieses Bild der erstrebenswerten Aufsichtsratsposition erst so richtig in der breiten Öffentlichkeit positionierte. Eine vernünftige Forderung. Aufsichtsrätin zu sein ist jedoch zu wenig an Frauenforderung – das Pferd wurde hier „von hinten aufgezäumt“.

Aufsichtsräte sollten aus der höchsten operativen Verantwortung in eine Kontrollfunktion wechseln. Diese höchste Stufe für Frauen zu öffnen, wurde spät, aber doch nun ebenfalls im Gesetz verankert. Jetzt wird es interessant. Der Aufsichtsrat, die Aufsichtsrätin wurden öffentlich als Teil eines allmächtigen Zirkels identifiziert. Die Realität ist eine gänzlich andere. So wie nicht jedes Auto gleich ein Maserati ist, ist nicht jeder Aufsichtsrat, jede Aufsichtsrätin allmächtiger Großverdiener.

Aufsichtsrat als Sparringspartner

Sitzung Aufsichtsrat

Der Aufsichtsrat übt eine Nebentätigkeit aus, keinen Hauptberuf. Die Verantwortung für die operative Unternehmenslenkung obliegt immer noch und dauerhaft ausschließlich dem Vorstand! Der Aufsichtsrat trifft sich etwa fünf bis zehn Mal jährlich zu Sitzungen. Zusätzlich wird in Ausschüssen vorbereitende Detailarbeit geleistet. Entscheidungen trifft das ganze Gremium.

Was entscheidet der Aufsichtsrat wirklich? Vor allem die Besetzung des Vorstands und die Billigung des Jahresabschlusses. Zusätzlich die zustimmungspflichtigen Geschäfte, die in der Satzung oder Geschäftsordnung festgelegt sind. Der Vorstand ist – da in der AG weisungsfrei – nicht einmal gezwungen, einen Beschluss des Aufsichtsrats umzusetzen. Allmacht? Von wegen! Der Aufsichtsrat kontrolliert, berät und ist Sparringspartner des Vorstands.

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Fazit: Jeder Mandatsinhaber trägt zum öffentlichen Image bei

Natürlich wird gerade ein Aufsichtsrat sich ständig weiterbilden. Einerseits weil er als Verantwortungsträger seine Rechte und Pflichten sowie die ständig wachsenden Aufgaben kennen muss. Andererseits weil er eben auch ein adäquater Sparringspartner des Vorstands sein soll. Dieses Wissen, welches ständig anzupassen und zu aktualisieren ist, muss nicht unbedingt unter goldenen Spiegeln vermittelt werden. Es geht auch bescheidener und effizienter.

Aber es gibt auch Licht am Ende des Tunnels, etwa bei Aufsichts- und Beiräten von Familienunternehmen jeder Größe und Gesellschaftsform. Sie wollen nicht oder wollten nie mit „Goldstaub“ berieselt werden. Sie suchen kluge, effiziente Wege der Weiterbildung, der Vernetzung und Beratung und ebensolche Mitglieder in den Kontrollgremien.

Jeder – auch angehende – Unternehmenskontrolleur, der etwas von diesem Glamour und der eigenen Großartigkeit abrückt, leistet dem öffentlichen Image einen wertvollen Dienst. Und damit schließlich auch der Arbeit von uns Aufsichtsräten als Verantwortungsträger.

*Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich

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[Bildnachweise: © iStock – Robert Daly / Ridofranz]

Dr. Viktoria Kickinger

Dr. Viktoria Kickinger hat ihre berufliche Karriere in Staatskonzernen gemacht und war eine der ersten hauptberuflichen Aufsichtsrätinnen. Sie ist die Gründerin der Directors Academy Hamburg, Marktführer in digitaler und multimedialer Weiterbildung für Aufsichtsräte. Viktoria Kickinger ist die Pionierin der Aus -und Weiterbildung für Kontrollorgane.

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