New Leadership – Wie sich Home Office auf das Verständnis von Führungsrollen auswirkt

New Leadership – Wie sich Home Office auf das Verständnis von Führungsrollen auswirkt

New Leadership – Wie sich Home Office auf das Verständnis von Führungsrollen auswirkt 1024 683 Claus Verfürth

Selten war das Thema Home Office so aktuell wie in diesen Tagen. Zwar ergibt sich die Relevanz dieses Themas momentan durch die hohen Infektionsraten der Covid-19-Pandemie, langfristig gesehen eröffnen sich jedoch für Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen Chancen und Risiken durch den Trend zur Heimarbeit. Die einen feiern das Ende des Bürozeitalters und den Einstieg in die New-Work-Ära, für die anderen bedeutet das Arbeiten in den eigenen vier Wänden lediglich zusätzlichen Stress.

Home Office erschwert gute Führung

Der Home-Office-Trend hat aber noch eine ganz andere Dimension. Das Verständnis von Führungsrollen verändert sich. Für Führungskräfte wird es schwieriger, die Mitarbeiter zu erreichen. Natürlich gibt es Videocalls, Telefonate oder virtuelle Meetings – aber insgesamt ist das Verhältnis zu den Mitarbeitern und Kollegen sehr distanziert. Gute Führung wird so erschwert und verkompliziert, das Potential für Missverständnisse nimmt rapide zu.

Das Verständnis von Führungsrollen verändert sich im Home Office.

In der aktuellen Krisensituation ist flächendeckendes Home Office selbstverständlich unabdingbar. Wer hier als Führungskraft über das notwendige Maß an Resilienz verfügt, kann schnell und effektiv für sich und seine Mitarbeiter Strukturen schaffen, die ein effizientes Arbeiten auch unter erschwerten Bedingungen möglich machen. Doch ein Dauerzustand sollte das auf keinen Fall werden.

Das Märchen vom glücklichen Heimarbeiter

Home-Office-Enthusiasten werden spätestens jetzt das Argument in den Ring werfen, dass die Kritik am Arbeiten von Zuhause lediglich ein letztes Aufbäumen verkrusteter und längst überholter Management- und Führungsstrukturen ist. Und dass die Mitarbeitenden durch persönliche Präsenz nur überwacht werden sollen. Auf den ersten Blick mag das auch logisch erscheinen, doch die Sache hat einen gewaltigen Haken. Nicht jeder Mitarbeiter ist gleich. So simpel und plakativ dieser Satz erscheinen mag, so elementar wichtig und bedeutsam ist diese Erkenntnis.

Teamwork, gegenseitiges Unterstützen und Wertschätzen, direktes Lob oder Kritik – all das ist natürlich auch über Videokonferenzen oder Messengerdienste möglich. Allerdings fehlt bei all dem die persönliche Komponente. Ein gut gemeinter Hinweis per Mail, der bei der anderen Seite völlig missverstanden wird – schon hängt eine negative Stimmung in der Luft, die unnötige Probleme zwischen Mitarbeitern und Führungskräften verursachen kann.

Ein weiterer Punkt ist die Vereinsamung der Mitarbeiter. Aus den Augen, aus dem Sinn. Eine gute Führungskraft wird zwar trotz der räumlichen Distanz nicht vergessen, wer alles zum Team gehört – aber schnell geraten Mitarbeiter aus dem Sichtfeld, die im Büro selbstverständlich mit im Boot sitzen. Zudem laufen Führungskräfte Gefahr, ihren Mitarbeitern zu viel zuzumuten oder auch am Wochenende eine Antwort auf eine Mail zu erwarten – der Mitarbeiter ist ja eh zu Hause. Solche Denkweisen schleichen sich gefährlich schnell ein. Die Trennung zwischen Beruf und Privatsphäre gelingt im Home Office nur schwer. Wenn dann auch noch die Kinder zu Hause sind und Mama oder Papa zur Hausaufgabenbetreuung brauchen, ist der Interessenskonflikt perfekt.

Das Zauberwort heißt Flexibilität

Selbstverständlich hat Home Office auch Vorteile. Für viele Mitarbeiter stellt das Arbeiten am heimischen Schreibtisch eine enorme Erleichterung dar. Volle Züge, Staus und lange Schlangen beim Bäcker gehören im Home Office der Vergangenheit an. Auch die Effizienz der Arbeit kann steigen, wenn man zu Hause arbeitet. Mitarbeiter, die sich wohl fühlen, leisten gute Arbeit. Das ist keine neue Erkenntnis, aber sicherlich der Schlüssel zur Lösung der Home-Office-Problematik.

Für Führungskräfte bedeutet das, dass sie auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter im Einzelnen eingehen müssen. Generelle Büro- oder Home-Office-Pflichten oder Quoten bringen niemanden weiter. Eine gesetzliche Verpflichtung außerhalb der momentanen Sondersituation noch viel weniger. Stattdessen sollte flexibel und den Bedürfnissen der Mitarbeiter und des Unternehmens angepasst entschieden werden. Dabei sollte sowohl das Arbeiten im Büro, als auch das Arbeiten im Home Office möglich gemacht werden – aber eben nicht zum generellen Muss. Wer diesen Spagat als Führungskraft hinbekommt, hat ein zufriedenes und effizient arbeitendes Team hinter sich stehen.

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Fazit: Polarisierung hilft nicht weiter

Ein Merkmal der Home-Office-Debatte ist die starke Polarisierung der Positionen. Auf der einen Seite stehen die New-Work-Anhänger, die Home Office schon fast als eine Art Dogma ansehen, auf der anderen Seite stehen die Verfechter der bisherigen Arbeit vor Ort im Großraumbüro. Beide Positionen scheinen weit voneinander entfernt zu sein, doch in der Realität lässt sich beides mit geringem Aufwand in Einklang bringen. New Work muss kein fest definierter Begriff sein, sondern spiegelt die Individualität und Vielfalt der Mitarbeiter wider.

Als Führungskraft sollte man in der Lage sein, auf diese Individualität und Vielfalt einzugehen und mit flexiblen, aber sinnvollen Regelungen für Effizienz zu sorgen. So kann am Ende das ganze Team profitieren und niemand bleibt auf der Strecke. Home Office hat in den vergangenen Monaten wunderbar funktioniert – weil wir uns in einer Ausnahmesituation befunden haben. Sobald jedoch wieder Normalität einkehrt, werden die Vorteile von persönlichem Austausch, wirklichem Teamwork und zwischenmenschlichem Kontakt überwiegen.

[Bildnachweis: © iStock – svetikd]

Claus Verfürth

Claus Verfürth ist Managing Director und Partner bei The Boardroom, dem von Rundstedt Beratungsbereich für Top-Manager.

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