Zwischen zwei Jobs

Zwischen zwei Jobs

Zwischen zwei Jobs 1024 683 Bernhard Mittasch

Orientieren Sie sich gerade neu und spielen mit dem Gedanken einer Selbstständigkeit? Im Interview berichtet Bernhard Mittasch, Director Senior Relations bei The Boardroom, welche Optionen sich bieten und wann eine Selbstständigkeit zwischen zwei Jobs für Top-Führungskräfte eine gute Wahl ist.

Wenn eine Führungskraft mit dem Gedanken spielt, sich selbstständig zu machen: Welche Möglichkeiten bieten sich ganz generell?

Bernhard Mittasch: Zunächst muss man sagen, dass der Schritt in die Selbständigkeit gut überlegt sein muss, da die Entscheidung das gesamte soziale Umfeld verändert. Die jeweiligen persönlichen Gründe, diesen Schritt zu gehen, können zudem sehr unterschiedlich sein. Geht man die Frage aber strukturell an, dann gibt es grundsätzlich sechs verschiedene Möglichkeiten, um den Weg in die Selbständigkeit zu beschreiten.

  1. Die Gründung einer Gesellschaft.
  2. Die Teamgründung, wenn man gemeinsam mit mehreren Partnern eine Firma gründet.
  3. Die innovative Gründung, in Form eines technischen Start-Ups.
  4. Die Beteiligung an einer MBO oder einer MBI.
  5. Ein Spinn-off oder das Outsourcing eines Tochterunternehmens in Vereinbarung mit einer Firma mit dem Ziel, neue Geschäftsfelder zu erschließen.
  6. Die Unternehmensnachfolge beziehungsweise eine Betriebsübernahme.

Welche Form der Selbstständigkeit empfehlen Sie Senior Executives, die nur nach einer kurzfristigen Lösung suchen?

Bernhard Mittasch: Grundsätzlich gibt es kurzfristige, mittelfristige und langfristige Formen der Selbständigkeit. Wenn es um Zwischenlösungen für Führungskräfte geht, kommen kurzfristige Tätigkeiten wie freiberufliche Beratung oder Coaching in Frage, mittelfristig kommen eher das Interims-Management und Dienstleistungskonzepte in Frage und für eine langfristige Selbständigkeit bieten sich beispielsweise Modelle wie eine Firmenübernahme oder eigene kundenorientierte Produktentwicklungen an.

Führungskräfte müssen sich im Klaren darüber sein, ob sie sich langfristig selbständig machen wollen, oder sie sich ab einem bestimmten Punkt wieder für die Karriere in einem Unternehmen entscheiden wollen. Davon hängt ab, welches Modell für die Selbständigkeit sinnvoll ist.

Die Selbständigkeit als „Zwischenlösung für Topmanager auf Jobsuche“ ist also nicht als Patentrezept tauglich?

Bernhard Mittasch: Genau. In vielen Fällen ist die Selbständigkeit als Zwischenlösung sogar gänzlich ungeeignet. Während einer beruflichen Neuorientierung sind das Netzwerken und der Bewerbungsprozess bereits eine Fulltime-Tätigkeit. Da dieser Prozess volle Konzentration erfordert, bieten sich im Regelfall eher Beratungs- oder Coaching-Modelle als Brückentätigkeit an – bei allen anderen Modelle ist meiner Erfahrung nach der Zeit- und Energieaufwand zu hoch.

Selbständigkeit als Zwischenlösung für Topmanager auf Jobsuche ist kein Patentrezept.

Wie können Manager denn herausfinden, ob sich in ihrem Fall die Selbstständigkeit anbietet? Muss ich ein bestimmter Typ sein, damit das Modell bei mir funktioniert?

Bernhard Mittasch: Die Typ-Frage ist insofern nicht ganz einfach zu beantworten, weil es einen Mix an Fähigkeiten braucht, um den Schritt in die Selbständigkeit erfolgreich zu meistern. Neben der Fachkompetenz sind Selbstkompetenz und Methodenkompetenz notwendig, wobei es immer von der konkreten Idee und dem jeweiligen Produktmodell abhängt.

Es ist zum Beispiel denkbar, dass sich jemand mit einer hohen Vertriebskompetenz selbständig machen will und sich einen Partner mit einem innovativen Produktmodell sucht. Es kann aber auch sein, dass ich ein neues Produkt entwickle und mir dann jemanden suche, mit dem ich gemeinsam den Vertrieb koordiniere. Ein individueller Faktor kommt am ehesten beim Thema Selbstmotivation, ohne die es nicht geht. Denn Rückschläge wird es gerade am Anfang immer geben – sowohl in der Gründungsphase als auch in der Weiterentwicklungsphase.

Birgt die Selbständigkeit für Topmanager auch ein Karriererisiko? Was bedeuten Misserfolge oder gar ein Scheitern in der Selbständigkeit für den weiteren Karriereweg?

Bernhard Mittasch: Das Hauptrisiko sehe ich nicht im Scheitern, sondern im zeitlichen und finanziellen Aufwand. Meiner Erfahrung nach haben Topmanager grundsätzlich sehr gute Ideen, die sich bestens für die Umsetzung eigenen. Dennoch kann es sein, dass eine Idee nicht funktioniert. War es lange Zeit verpönt zu scheitern, erleben wir derzeit einen Start-up-Boom in Deutschland und damit einen kulturellen Wandel nach amerikanischem Vorbild. Ein Misserfolg oder ein Scheitern wird darum eher nicht Ihren Ruf schädigen oder Ihre Karriere verbauen, außer es handelt sich um schwerwiegende unternehmerische Fehlentwicklungen.

Sehen Sie neben der spezifischen kulturellen Bewertung auch Unterschiede zwischen den Generationen?

Bernhard Mittasch: Selbständigkeit ist ganz klar auch eine Generationenfrage. Heute ist es nicht unüblich, dass sich Menschen direkt nach dem Studium oder ein paar Jahren in einem Beratungsunternehmen mit einer Idee selbständig machen. Jüngere Gründer wollen ihre Ideen an den Markt bringen, bewerten Risiken ganz anders und sind auch nicht mehr so sehr an einer Karriere in einem Unternehmen interessiert.

Im Spitzensegment sieht das etwas anders aus. Hier wird der Schritt in die Selbständigkeit sehr viel genauer überlegt. Und da Führungskräfte gelernt haben, durch gutes Management eine Firma voranzubringen, sind Firmenbeteiligungen oder -übernahmen sehr viel stärker verbreitet als Neugründungen oder Entwicklungen von innovativen, technologischen Produkten.

Sollten sich angehende Gründer Unterstützung holen, um den Schritt in die Selbständigkeit abzusichern?

Bernhard Mittasch: An erster Stelle steht natürlich die Idee, mit der man sich selbständig machen will. Es macht durchaus Sinn, gemeinsam mit einem Coach oder einem Senior Karriereberater, das Thema zu diskutieren, auszuarbeiten und kreativ weiterzuentwickeln. So lassen sich eventuelle Schwächen ausmerzen und der Unique Selling Point schärfen.

Eine weitere zentrale Anlaufstelle ist auch die jeweilige Hausbank, die Ansprechpartner für Kredite und andere Finanzierungsmöglichkeiten ist. Daneben gibt es öffentliche Förderprogramme beispielsweise von der KFW-Bank und schließlich besteht die Möglichkeit eng mit der IHK zusammenzuarbeiten, die ebenfalls Coaching- und Beratungsmöglichkeiten anbietet.

Mein Tipp: Sprechen Sie Ihre Idee mit möglichst vielen Kontakt- und Netzwerkpartnern durch – denn Feedback verbessert Ihr Angebot.

Welchen Tipp geben Sie Gründern, die am Anfang die ersten Aufträge an Land ziehen möchten?

Bernhard Mittasch: In der Tat setzt die Produktvermarktung schon ein gewisses Branding am Markt voraus. In vielen Fällen ist der erste Auftrag einer der Auslöser für den Schritt in die Selbständigkeit. Weil das Vertrauen entsprechend vorhanden ist, zählt der direkte Freundeskreis sehr oft zu den ersten Kunden.

Daneben lohnt sich die Durchforstung des eigenen Netzwerks, um weitere Aufträge zu generieren. Gleichzeitig sollte dabei das Netzwerk aktiv und gezielt erweitert werden, um den potentiellen Kundenkreis zu erweitern. Oftmals lohnt sich auch ein Blick auf die vorhergehenden Arbeitgeber, um zu sehen, ob es hier gemeinsame Interessen oder Schnittstellen gibt.

Lohnt es sich, ein Konzept für die Selbständigkeit bereits fertig in der Schublade zu haben? Nur für alle Fälle?

Bernhard Mittasch: Eine gute Frage. Meiner persönlichen Erfahrung nach haben Topmanager keine fertigen Konzepte in der Schublade, aber eine Menge guter Ideen. Schon aufgrund des alltäglichen Arbeitsaufwandes bleibt parallel zum Beruf kaum Zeit, um sich intensiver mit diesen Ideen zu beschäftigen.

Die meisten Topmanager beschäftigen sich erst dann konkret mit so einer Fragestellung, wenn sie nach einer neuen Aufgabe suchen und die Selbständigkeit eine der Alternativen ist. Dann werden diese Ideen nach oben getragen und gegebenenfalls umgesetzt.

 

Vielen Dank für das Gespräch!

[Bildnachweis: © gettyimages.de / Westend61]

Bernhard Mittasch

Bernhard Mittasch ist Director Senior Relations bei The Boardroom, dem von Rundstedt Beratungsbereich für Top-Manager.

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