In meinem vorherigen Artikel zum Thema Stress habe ich dargestellt, dass Stress eine natürliche Reaktion des Organismus ist (Stichwort „Kampf oder Flucht“). Per se also nichts Schlechtes. Chronischer Stress hingegen ist problematisch. Insbesondere, wenn keine aktiven Anti-Stress-Maßnahmen im Alltag verankert sind. Ein konstant hohes Stresslevel wirkt wie eine Bremse. Meine Beobachtungen bei der täglichen Arbeit mit leistungsorientierten Menschen unterstreichen diese Erkenntnis. Daher möchte ich in diesem Artikel praxiserprobte Anti-Stress-Maßnahmen detaillierter beschreiben.
Stressmanagement oder aktive Reaktion/Regeneration?
Sie können es drehen und wenden wie Sie wollen: Chronischer Stress führt nachweislich zu Leistungsabfall. Der Begriff Stressmanagement ist meiner Meinung nach ein wenig abgenutzt. Ich nutze lieber den sportnahen Begriff „aktive Regeneration“. In der Zusammenarbeit mit Führungskräften habe ich gelernt, dass sie auf einem hohen Niveau arbeiten und delegieren. Oft fehlt ihnen allerdings die nötige Stressresistenz.
Ein Klassiker aus der Arbeitswelt: Anstatt Ruhe ins System zu bringen und auf die Bremse zu treten, steigen Manager aufs Gas, um noch mehr zu powern. Sie wollen sich nicht eingestehen, dass sie Erholung benötigen. Seien Sie ehrlich: Erkennen Sie sich wieder?
Anstatt Ruhe ins System zu bringen, treten wir oft noch einmal extra auf’s Gas.
Anti-Stress-Methoden aus der Praxis
Es gibt verschiedenste Möglichkeiten, wie Sie Stress angehen können. Aus meiner Sicht geht es im Kern darum, Geist und Körper zu entspannen und zu harmonisieren. Folgend jeweils ein praxiserprobtes KKK-Beispiel (Kopf, Kost, Körper). Am besten ist es, wenn Sie zu Beginn versuchen jede Übung für 14-21 Tage in Ihren Alltag zu integrieren.
1. Mentaltraining (Kopf)
Üben Sie sich in Konzentration und Gewahrsein. Dabei helfen Wahrnehmungsübungen, Atemübungen und Meditation. Die Techniken sind schnell erlernt und Sie können sie jederzeit durchführen. Zum Start müssen Sie sich etwas in Disziplin üben. Die Früchte ernten Sie schnell und in ein paar Wochen sind Sie möglicherweise schon in der Lage durch eine eigene Mikropraxis die Stille, das „Nichtstun“, als neue Kraftquelle zu nutzen.
Körper & Atembeobachtung (ca. 5-10 Minuten)
- Legen Sie sich auf den Rücken, lassen Sie Arme und Beine „fallen“ und entspannen Sie sich für einen Moment.
- Beginnen Sie verschiedene Punkte des Körpers konzentriert wahrzunehmen und halten sie Ihre Aufmerksamkeit für einen Moment dort (z.B. Kiefer, Schultern, Hüfte, Beine, Zehen).
- Bringen Sie als letztes, Körper und Atem zusammen. Spüren Sie den gesamten Körper und den Atemvorgang und stellen Sie sich vor, dass der ganze Körper atmet.
Für die gesamte Übung gilt: Bleiben Sie entspannt, beobachten Sie, bewerten Sie nicht. Wenn Sie bemerken, dass Ihre Aufmerksamkeit abgewandert ist und Sie sich in Gedanken „verloren“ haben, bringen Sie Ihre Konzentration wieder zurück zum Bereich, an dem Sie waren. Dies kann anfangs sehr oft und sehr schnell passieren. Kritisieren Sie sich nicht dafür. Der ungeübte Geist ist sprunghaft.
2. Ernährungs-Strategie optimieren (Kost)
Sind Sie sich bewusst, was für einen großen Einfluss die Ernährung auf Ihre Leistungsfähigkeit und Vitalität hat? Ein Punkt, den viele häufig außer Acht lassen. Zeitmangel zählt nicht als Argument, um auf schnelle, ungesunde Nahrung zurückzugreifen. Nährstoffarme und unnatürliche Nahrung in großen Mengen (z.B. Zucker, Milch, Fertigprodukte etc.) können Entzündungen im Körper bewirken. Diese schädigen die Darmflora bzw. sorgen dafür, dass der Körper und sein Verdauungssystem viel mehr Energie benötigt (Stichwort „Mittagsloch“), die woanders fehlt. Sie werden schnell merken, wie das Wohlbefinden steigt und der Körper mehr Energie hat, wenn Sie auf Ihre Ernährung achten.
Clean, Raw & Less-Eating
- Essen Sie Clean. Also „säubern“ Sie Kühlschrank und Vorratskammer vor stark verarbeitete Industrieware. Streichen Sie konsequent alle Industrieprodukte von der Einkaufsliste. Holen Sie Ihre Familie mit ins Boot und machen Sie ein Familienprojekt daraus.
- Essen Sie 50% oder mindestens eine ganze Mahlzeit pro Tag nur Rohkost. Gemüse, Salate, Nüsse, Samen und Co. enthalten ungekocht viel mehr Enzyme und Ballaststoffe und liefern Ihnen im rohen Zustand ein Maximum an Nähstoffen.
- Beginnen Sie mit intermittierendem Fasten. Gönnen Sie Ihrem Verdauungssystem von der letzten Mahlzeit am Abend, bis zur Mahlzeit am Folgetag 12-16 Stunden Pause (steigern sie langsam alle 2-3 Tage) und kurbeln Sie damit Ihren Fettstoffwechsel an.
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3. Bewegungshygiene (Körper)
Ja Sie lesen richtig. Ich habe bewusst den Begriff Hygiene gewählt. So wie Sie täglich Ihre Zähne putzen, sollten Sie Ihren gesamten Körper pflegen und in Bewegung setzen. Ein offener und produktiver Geist wohnt in einem gesunden und flexiblen Körper. Das Ziel sollte ein tragfähiges Fundament wie bei einem Hausbau sein. Auch wenn sich eventuell nach einer längeren Phase der Bewegungsarmut etwas „Rost“ angesammelt hat und es schwerer fällt sich aufzuraffen.
- Üben Sie sich regelmäßig oder vor jeder sportlichen Aktivität in „Movement Preperation“. Das sind dynamische Dehnübungen in Form fundamentaler Bewegungsmuster des Menschen. So mobilisieren und aktivieren Sie alle wichtigen Gelenke des Körpers und Muskelketten. Ein schöner Nebeneffekt ist ein besseres Körpergefühl und eine bessere Körperhaltung.
Hinweis: Wenn Sie noch kein oder ganz selten Sport ausüben, nehmen Sie sich ab sofort etwas Zeit dafür. Schauen Sie, was Ihnen Spaß macht. Hauptsache Sie bewegen sich regelmäßig. Der Mensch ist von Natur aus auf Bewegung ausgerichtet.
Alte Verhaltensmuster und Automatismen erkennen
Handeln Sie also und üben Sie sich in aktiver Regeneration. Mir ist bewusst, dass ein Topmanager täglich sehr viele Themen zu bearbeiten hat und Entscheidungen treffen muss. Aber sich im Tun zu verlieren, bringt Sie nicht weiter. Das Hauptproblem, wenn es darum geht geistige und körperliche Veränderungsprozesse zu erreichen, ist aus meiner Sicht jedoch ganz klar Stress. Das menschliche Gehirn ist darauf ausgelegt, Energie zu sparen. Das geschieht mithilfe von Automatismen. Das ist ein toller Mechanismus unserer Natur. Diese Automatismen können jedoch dazu führen, dass es uns schwerfällt Verhaltensmuster zu ändern. Wenn Sie zum Bespiel merken, dass Sie zu wenig Fokus auf Ihre Regeneration legen, können Sie das Verhaltensmuster aktiv durchbrechen.
Um neue Routinen zu erlernen, braucht es eine Weile. Deswegen ist es wichtig, dass Sie sich in einer entspannten Situation finden und Zeit für sich haben. Gerade am Anfang kann es sein, dass Sie diese entspannte Ausgangslage herbeiführen müssen. Aber das ist kein Problem: Mit der Zeit etabliert sich eine neue Gewohnheit und es fällt Ihnen leichter zu sich zu finden. Geben Sie sich Zeit und Raum. Es ist kein Wettbewerb.
Fazit
Egal, ob es sich um Leistungssportler, Manager oder andere Berufsrichtungen handelt: Mit Stress haben alle leistungsorientierten Menschen zu tun. Damit Sie nicht in eine negative Stresskaskade geraten, ist es wichtig, dass Sie Stress erkennen und ihm aktiv entgegenwirken. Denn nur so können Sie Ihre Produktivität dauerhaft aufrechterhalten. Nehmen Sie sich bewusst Raum für Auszeiten. Abseits des Berufslebens. Gerade für Topmanager und Führungskräfte ist es besonders wichtig einen klaren Kopf zu behalten, um tragende Entscheidungen für das Unternehmen zu treffen. Wie man Stress entgegenwirkt, ist ganz individuell. Entscheidend ist, dass Sie achtsam erkennen, wie sich Stress bei Ihnen bemerkbar macht und welcher Weg oder welche Kombination aus vorgenannten Methoden für Sie am besten ist, um dem entgegenzuwirken.
Fachliteratur:
Kahnemann, Daniel: Schnelles Denken, langsames Denken. Penguin Verlag 2011.
Keferstein, Gerrit / Mager, Robert: Athletiktraining, Ernährung, Regeneration und Trainingsplanung für Profis und und Nachwuchsspieler. Bioflow Publishing 2008.
Scuban, Ralph: Pranayama. Die heilsame Kraft des Atems. Aquamarin Verlag 2017.
Verstegen, Mark: Core Performance. Das revolutionäre Workout-Programm für Körper und Geist. Riva / München 2006.
[Bildnachweis: © shutterstock – goodluz]