Topmanager benötigen wieder mehr Fachexpertise

Topmanager benötigen wieder mehr Fachexpertise

Topmanager benötigen wieder mehr Fachexpertise 1024 683 Claus Verfürth

Die Bayer AG verkleinert ihren Vorstand von sieben auf fünf Mitglieder, unter denen die Aufgaben neu verteilt werden. Die aktuellen Veränderungen im Vorstand von Bayer sind ein weiteres Beispiel für ein Phänomen, das sich seit letztem Jahr in immer mehr Unternehmen beobachten lässt: Verlassen Executives ihre Positionen, werden diese nicht unbedingt wieder neu besetzt.

Die oberen Ebenen in den Unternehmen werden ausgedünnt, Aufgaben auf die verbleibenden Manager umverteilt und die Führungsspannen damit vergrößert. Was sind die Gründe für diese aktuelle Entwicklung? Und worauf müssen Top-Executives in Zukunft verstärkt achten, um berufliche Umbruchsphasen optimal zu nutzen? Meine These dazu lautet: Fachexpertise wird im Topmanagement wieder wichtiger werden.

Freiwerdende Führungspositionen werden zunehmend nicht neu besetzt, Führungsspannen werden vergrößert – Topmanager müssen jetzt handeln.

Konjunkturabschwung als Auslöser

Es gibt wie so häufig mehrere Auslöser für das beschriebene Phänomen. Ganz allgemein lässt sich seit Jahren beobachten, dass sich die Organisationsstrukturen von Unternehmen und deren Hierarchien verändern. Eine maßgebliche Ursache für die schneller fortschreitende Entwicklung in den letzten Monaten ist sicher der konjunkturelle Abschwung. Der überall zu beobachtende Stellenabbau macht auch vor Managern und Top-Executives keinen Halt. Zum Teil werden ganze Hierarchieebenen herausgenommen und im gleichen Zug Führungsspannen erhöht.

Rekrutierung von Top-Führungskräften

Sichtbar werden – ohne aufdringlich zu sein

Für Führungskräfte bedeutet dies, dass sie ihre Kompetenzen und ihre Fachexpertise konsequent ausbauen und erweitern müssen. Nur wer sich rechtzeitig an die neuen Anforderungen anpasst, wird sich künftig beim Rennen um die sinkende Zahl von Spitzenpositionen durchsetzen können.

Fachexpertise statt Generalismus

Mit dieser Entwicklung geht eine grundlegende Veränderung  des Verständnisses von Führung und Führungsaufgaben einher. Die längste Zeit galt, dass die Aufgabe von Top-Executives im Management und in der Koordination von Fachexpertise besteht. Das wandelt sich derzeit grundlegend. Statt der Exzellenz im Generalismus wird von Managern in Zukunft wieder mehr Fachexpertise erwartet.

Durch die zusätzliche Verlagerung von Verantwortung auf weitere Ebenen wird der generalistisch ausgeprägte Manager zunehmend abgeschafft.

Struktureller Umbau als drastische Folge

Die unteren Ebenen werden durch den Stellenabbau an der Spitze gestärkt. Die strukturellen Veränderungen in den Unternehmen werfen jedoch die Frage auf, ob die übergeordneten Aufgaben tatsächlich einfach entfallen oder verlagert werden können. Dabei werden zudem oft die Risiken übersehen, die mit größeren Führungsspannen und flacheren Hierarchien einhergehen. Allein aufgrund der Anzahl an Mitarbeitern, die auf eine Führungskraft entfallen, sinkt die Beziehungsqualität zum Einzelnen.

Mensch vs. Maschine: Die Rolle digitaler Technologien

Strategien und Ziele vorgeben, Erreichtes überprüfen und gegebenenfalls nachsteuern – das war bislang die genuine Aufgabe von Führungskräften. Die maschinelle Messbarkeit von Ergebnissen führt jedoch vermehrt dazu, dass auch die Entscheidungsprozesse weiter nach unten verlagert werden. Je mehr Kontrollaufgaben zukünftig von intelligenten Maschinen und Algorithmen übernommen werden, desto mehr verschieben sich die Funktionen und Verantwortlichkeiten innerhalb der Unternehmen. Auch der digitale und technologische Wandel sorgt dafür, dass Entscheidungsprozesse mehr Fachexpertise erfordern. Was zusätzlich auf der Strecke bleiben kann, ist die Führungsqualität, das auch emotionale Mitnehmen und Einschwören auf das gemeinsame Ziel und die Orientierung an Menschen – und nicht nur an Sachthemen.

Höherer Konkurrenzdruck und weniger Branchenwechsel

Die derzeit beobachtbare Tendenz ist eindeutig: Die überwiegend für klassische Managementaufgaben verantwortlichen Personen werden in den Vorständen nicht mehr in der bisher üblichen Anzahl gebraucht. Was wieder viel mehr zählt, ist mehr Fachexpertise auch auf oberen Ebenen. Diese Entwicklung wirkt sich gleich doppelt auf den Arbeitsmarkt aus: Immer mehr Senior Executives sind auf Jobsuche, während gleichzeitig viele Stellen nicht neu besetzt werden.

Das bedeutet für Topmanager, dass – zumindest in Deutschland spürbar – Branchenwechsel immer schwieriger  erscheinen, wenn die entsprechende Fach- und Branchenexpertise nicht vorhanden ist. Wer zukünftig seine Chancen auf dem deutschen Jobmarkt steigern will, muss entsprechend auf mehr Fachexpertise setzen. Eine umfassende Fachexpertise wird somit durch die steigenden Anforderungen zu einem wertvollen USP, mit dem sich Topmanager von Mitbewerbern abheben und so schneller den Weg an die Spitze schaffen können. Mögliche Befruchtungen durch Manager aus anderen Branchen bleiben dann leider aus.

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Claus Verfürth

Claus Verfürth ist Managing Director und Partner bei The Boardroom, dem von Rundstedt Beratungsbereich für Top-Manager.

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