Topmanager in Umbruchphasen (Teil I)

Topmanager in Umbruchphasen (Teil I)

Topmanager in Umbruchphasen (Teil I) 1024 528 Claus Verfürth

„Topmanager fallen nach dem Verlust ihrer Position weich.“ Diesen Satz haben Sie wahrscheinlich schon mal gehört, am Stammtisch, in der Straßenbahn oder Sie sind Medienberichten darauf gestoßen. Das Gegenteil ist der Fall. Die Folge ist vielfach eine schwere persönliche Krise. Das erlebe ich in der Beratung immer wieder. Wissenschaftlich belegt hat dies jetzt unsere Studie mit der Hochschule Fresenius.

Für Menschen, die noch nie eine solche Situation durchlebt haben, ist dies nicht leicht nachzuvollziehen. Von außen betrachtet haben erfolgreiche Manager oft alles, was es braucht, um nach einem unfreiwilligen Jobverlust schnell wieder durchzustarten: ein finanzielles Polster, weitreichende Kontakte zu an­de­ren Wirtschaftslenkern, außergewöhnliche Fähigkeiten und eine ebensolche Persönlichkeit. Soweit die Fremdwahrnehmung von Unbeteiligten.

Auf der Über­hol­spur ausgebremst

Aus der Perspektive der Manager dagegen stellt sich die Situation ganz anders dar: Am Anfang steht der Schock. Bis eben noch fand das Leben auf der Über­hol­spur statt. Ein Alltag unter Hochspannung, mit Arbeitstagen, die selten weniger als 12 Stunden hatten und an denen ein wichtiger Termin den an­de­ren jagte. Und nun? Vollbremsung. Stillstand. Plötzlich ist da diese un­be­greif­li­che Leere. Und danach oft nur noch Verwirrung, Ratlosigkeit und Wut.

So oder ähnlich beschreiben viele Topmanager den Moment, in dem sie von der Trennung erfahren haben. Als High Performer waren sie es gewohnt, an den ganz großen Rädern zu drehen, Verhandlungen auf höchster Ebene zu führen und ständig um den Erdball zu jetten. Ihr Beruf war ihr Leben und diente als Jungbrunnen für Ego und Selbstwertgefühl. Sie genossen ein hohes Ansehen und bezogen ein weit über dem Durchschnitt liegendes Gehalt. Für jeden war klar zu erkennen, dass sie in der ersten Liga spielten.

Viele Dinge wurden Ihnen bisher abgenommen, um ihnen den notwendigen Freiraum zur Klärung wichtiger Unternehmensfragen zu geben. Wenn dann plötzlich kein eigenes Sekretariat mehr zur Verfügung steht, müssen sie sich um viele Dinge wieder selber kümmern. Hinzu kommt, dass ihnen plötzlich viel mehr Zeit zur Verfügung steht, die es zu füllen gilt; bei der Familie, im Be­kann&shyten- und Kollegenkreis, deren Alltag aber unverändert weitergeht. Auch hier müssen die Familienmitglieder häufig erst einen neuen ge­mein­sa­men Rhythmus im Zusammenleben finden.

Position weg, Kontakte weg

Was die Top-Managern zugeschriebenen Kontakte angeht, zeigt sich ebenfalls häufig, dass viele mit der Position wegbrechen. Die Manager stellen fest, dass viele ihrer gut gepflegten Kontakte nur branchenbezogen waren und eben nur an ihrer Position und nicht an ihrer Person interessiert waren. Darüber hinaus tun sich Machtmenschen schwer, nach einem Scheitern um Hilfe zu bitten. Sie empfinden dies als Erniedrigung und Demütigung. Wenn dann wochenlang kein Headhunter anruft und ihnen eine neue Position anbietet, sinkt das Selbstbewusstsein in den Keller.

Um aus dieser Krise herauszufinden, neuen Mut zu schöpfen und eine Stra­te­gie und Positionierung für den nächsten beruflichen Schritt zu er­ar­bei­ten, benötigen Topmanager Gesprächspartner auf Augenhöhe, die sie auffangen und ihnen helfen, das angekratzte Selbstvertrauen wieder aufzubauen.

Der Weg ist steinig, aber lohnend

Wie steinig dieser Weg ist, warum er sich lohnt und was er mit einem Gewitter zu tun hat, lesen Sie im Whitepaper zu unserer Studie oder im zweiten Teil meines Beitrags.

Haben Sie auch schon einmal ungewollt Ihren Job verloren und ähnliche Erfahrungen gemacht oder eine solche Erfahrung in ihrem Bekanntenkreis miterlebt? Dann freue ich mich auf Ihre Kommentare.

Über die Studie

Die deutschlandweit einmalige Studie steht unter der wissenschaftlichen Leitung von Sebastian Debnar-Daumler von der HPO Research Group. Sie ist Bestandteil der Masterarbeit von Jörg Bauer zur Erlangung des akademischen Grades eines Master of Arts (M. A.) an der Hochschule Fresenius Köln im Fachbereich Wirtschaft & Medien, Studiengang Business Psychology.

Die Studie „Auf der Überholspur ausgebremst“ bietet einen umfassenden Einblick in die Lebenswelt von Senior Executives in ungewollten Um­bruch­pha­sen. Sie hilft Führungskräften, kritische Karrieresituationen frühzeitig zu erkennen, und liefert Betroffenen konkrete Hilfe für die Verarbeitung des Jobverlusts sowie praktische Tipps zur Neuorientierung.

Sie sind an einem fachlichen Austausch interessiert?

Schreiben Sie mir auf:

LinkedIn

Xing

[Bildnachweis: © istockphoto.com / andresr]

Claus Verfürth

Claus Verfürth ist Managing Director und Partner bei The Boardroom, dem von Rundstedt Beratungsbereich für Top-Manager.

Alle Beiträge von:Claus Verfürth