Ein Branchenwechsel ist für viele Topmanager eine ernste Karriereoption geworden. Der Wunsch nach Veränderung wird vor allem durch vermeintlich bessere Karrierechancen in einem neuen Umfeld, fehlende Perspektiven in der eigenen Branche oder Zweifel an der Zukunftsfähigkeit begründet. So viel zur Theorie. In der Praxis sieht es oft anders aus. Branchenwechsel sind nach wie vor eher selten. Dabei gibt es viele gute Gründe, die für einen Blick über den eigenen Tellerrand sprechen.
Branchen in Bewegung
Neben einer neuen Perspektive, die Topmanager mit ihrem Wissen in einer anderen Branche einbringen können, spricht auch der derzeitige Wandel der Branchen selbst für Quereinsteiger. Bestimmte Themen wie Digitalisierung, Künstliche Intelligenz oder die Notwendigkeit der Transformation von Organisationen und Prozessen spielen gleichermaßen über die Branchengrenzen hinweg eine Rolle. Die Fähigkeit, Veränderungsprozesse in einem Unternehmen erfolgreich zu gestalten, sind darum wichtiger als branchenspezifisches Wissen.
Führungskräfte sind offener für Branchenwechsel als Unternehmen.
Ein Vergleich der Umfrageergebnisse zur Bereitschaft zum Branchenwechsel zeigt, dass die Wechselbereitschaft in den letzten Jahren insgesamt steigt. Dabei hängt die Wechselbereitschaft auch stark von der jeweiligen Branche ab. Besonders der Energiesektor sowie die Banken-, Telekommunikations-, Medien- und Technologiebranche sind hier an der Spitze des Feldes. Andere Branchen wie die Automobilindustrie, die Unternehmensberatungs- und Wirtschaftsprüfungsbranche sowie der öffentliche Sektor verhalten sich deutlich konservativer.
Branchenwechsel aus Perspektive der Unternehmen
Aber selbst, wenn viele Topmanager auf Jobsuche für einen Branchenwechsel offen sind – die Unternehmen in Deutschland selbst sind nicht so häufig an branchenfremdem Top-Führungspersonal interessiert. Der Wunsch nach Stallgeruch wie „Benzin im Blut“ in der Automobilindustrie lässt sich auch auf andere Branchen übertragen. Die Gründe, warum Unternehmen Manager mit brancheninterner Karriere bevorzugen, sind:
- Die Befürchtung, dass branchenfremde Manager aufgrund fehlender Branchenkenntnis in ihrer Position nicht erfolgreich sein könnten.
- Das fehlende Netzwerk innerhalb der Branche könnte Manager in ihrer Aufgabe bremsen und dazu führen, dass sie von gewissen Geschäftschancen keine Kenntnis erhalten und Chancen nicht optimal nutzen können.
- Lange Einarbeitungszeiten aufgrund der fehlenden Erfahrung in der neuen Branche.
Branchenwechsel über Personalberater
Ein Weg, der sich angesichts dieser Situation auf den ersten Blick anbietet, ist ein „organisierter Branchenwechsel“ über einen Personalberater. Unserer Erfahrung nach zielt der Branchenwechsel über einen Personalberater jedoch fast immer ins Leere. Das hat einen einfachen Grund: Die Unternehmen mandatieren einen Personalberater mit einem sehr speziellen Profilwunsch. Meistens wird immer noch der Branchenintimus gesucht und die Zielfirmen, aus denen der Kandidat kommen soll, werden ebenso festgelegt.
Nun ist es für den Personalberater eine nicht unerhebliche Herausforderung, seinem Auftraggeber einen „Exoten“ vorzuschlagen, der nicht hundertprozentig zum Profilwunsch passt, aber dennoch einen Mehrwert haben könnte. Im ersten Schritt bedeutet dies einen erheblich größeren Überzeugungsaufwand als bei einem Branchenkenner. Somit kann der Personalberater das Projekt auch erst viel später besetzen.
Erschwerend kommt hinzu: Sollte diese Überzeugungsarbeit gelingen, der Kandidat aber nicht erfolgreich sein, ist die „Schuldfrage“ schnell geklärt. Für den Personalberater ist die Gefahr dann groß, niemals wieder mandatiert zu werden. Ebenso wird das Unternehmen auf absehbare Zeit branchenfremden Topmanagern skeptisch gegenüberstehen. Dieser Weg ist also eher unwahrscheinlich, es sei denn ein Unternehmen beauftragt den Personalberater direkt mit der Suche eines „Exoten“.
Entscheidung für den Branchenwechsel
Der Entschluss, einen Branchenwechsel anzustreben, muss gut überlegt werden. Persönliche Faktoren spielen hier eine immer wichtigere Rolle. Die Bereitschaft zur Verlegung des Wohnsitzes oder die räumliche Trennung von Familie und Arbeit nimmt gerade im Home-Office-Zeitalter stark ab.
Auch strategische Überlegungen müssen bei der Entscheidungsfindung bedacht werden. Solange es auf Seiten vieler Unternehmen noch keine Offenheit gegenüber Quereinsteigern gibt, bringt ein Branchenwechsel auch ein gewisses Risiko für den späteren Karriereverlauf mit sich.
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Die Zahl der Branchenwechsel nimmt nichtsdestotrotz stetig zu. Gerade aufgrund der damit verbundenen Risiken bedarf es einer guten Vorbereitung. Nutzen Sie also die Übergangszeit und beschäftigen Sie sich intensiv mit der neuen Branche, in die Sie streben. Der Einstieg in eine neue Branche gelingt umso besser, wenn Sie beispielsweise bereits Netzwerkkontakte aus dem neuen Umfeld nutzen können.
Insidergespräche zur Vorbereitung sind ebenfalls ratsam. Denn je nach Position können branchenunabhängige Führungsqualitäten wichtiger sein, als Wissen über das operationale Geschäft. Gerade deswegen sollten sie im Kandidatengespräch betont werden.
Fazit: Ein Branchenwechsel muss gut vorbereitet werden
Die Frage des Mehrwertes für die neue Branche bzw. das neue Unternehmen muss im Vorfeld nachvollziehbar und stichhaltig erarbeitet werden. Je weiter sich der Kandidat von der Ursprungsbranche entfernt, desto überzeugender muss die Begründung für den Mehrwert beim Wechsel sein.
Die Leistung von Quereinsteigern wird aufgrund der vorherrschenden Skepsis auf Seite der Unternehmen besonders kritisch beobachtet werden. Wer die mit dem Branchenwechsel verbundenen Risiken dennoch bewusst in Kauf nimmt, muss seinen Wechsel frühzeitig und gründlich planen, damit sich sein Mut am Ende auch für beide Seiten auszahlt.
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