Selbstführung im Zeitalter der Digitalisierung (Teil II)

Selbstführung im Zeitalter der Digitalisierung (Teil II)

Selbstführung im Zeitalter der Digitalisierung (Teil II) 1024 411 Dr. Friedhelm Boschert

Als Topmanager im Zeitalter der Digitalisierung den Durchblick zu behalten, oder überhaupt erstmal zu erreichen, ist schwer. In meinem letzten Artikel auf dem Topmanager-Blog habe ich bereits resümiert, dass die „Aufmerksamkeitssteuerung“ das Schlüsselwort ist, um sich in der komplexen VUCA-Welt zurecht zu finden. Befolgen Sie den untenstehenden Leitfaden, führen Sie sich bei regelmäßigem Training zu einem produktiveren und effizienteren Arbeitsalltag als Topmanager. Doch wie erreichen Sie dieses Level praktisch?

So trainieren Sie Ihre Aufmerksamkeit

Aufmerksamkeitssteuerung hört sich einfach an. Und Sie werden sagen, „mach ich doch den ganzen Tag“. Aber ist das wirklich der Fall? Machen Sie den Selbstversuch: Schließen Sie für eine Minute die Augen und beobachten Ihre Gedanken. Ziemlich was los, nicht wahr? Haben Sie einen Ihrer Gedanken bewusst gesteuert? Vermutlich nicht. Ihr Kopf führt ein ganz ordentliches Eigenleben. Nun eine Übung: Setzen Sie sich aufrecht. Nicht anlehnen, Schultern entspannen. Augen schließen. Und lenken Sie Ihre Aufmerksamkeit auf Ihren Atem. Dort wo Sie ihn gut spüren, zumeist am Naseneingang. Und halten Sie Ihre Aufmerksamkeit 2 Minuten bei Ihrem Atem. Einfach nur beobachten, wie er aus- und einströmt. Nichts verändern, nur beobachten. UND? Wie oft sind Sie abgeschweift? Haben Ihre Gedanken Sie davongetragen? Nur kurz oder gar die ganze Zeit?

Hören Sie auf Ihren inneren Beobachter

„Monkey Mind“ nennen es die Inder, „Mind Wandering“ die Neuro-Wissenschaftler. Das gedankliche Abschweifen gehört bis zu einem gewissen Maß zum Mensch-Sein dazu. Vielleicht haben Sie in der Übung nach einigen Sekunden der Abwesenheit gedacht: „Oh, ich sollte eigentlich wieder zum Atem zurückkehren“. Toll! Merken Sie sich diese Stimme, die das sagte. Denn das waren nicht direkt Sie, Sie waren ja in Gedanken woanders. Nein, das war Ihr „innerer Beobachter“. Der von einer inneren Meta-Ebene aus die Sache beleuchtete. Und diesen „inneren Beobachter“ machen Sie nun zu Ihrem ständigen Begleiter. Der hilft Ihnen, Ihre Gedanken, Ihre Emotionen, Ihr automatisches Handeln gewissermaßen aus der Perspektive einer dritten Person zu beleuchten. Und er steuert Ihre Aufmerksamkeit und eben nicht eines Ihrer automatischen Programme. Das ist Achtsamkeit.

Sie müssen den inneren Beobachter jedoch trainieren. Täglich. Mehrmals. Halten Sie Inne. Richten Sie gezielt Ihre Aufmerksamkeit auf etwas Körperliches (ich empfehle für den Anfang den Atem oder die Fußsohlen). Und wann immer Sie in Gedanken abschweifen, kehren Sie – ohne sich zu ärgern – geduldig wieder zum Atem oder den Fußsohlen zurück. 5 Mal täglich 2 Minuten reichen für den Anfang. Fragen Sie sich bei der Gelegenheit anschließend „Wie geht es mir gerade – körperlich, geistig, emotional?“. Ein kleiner Selbst-Check, der Ihnen hilft, aufgeräumt und klar an die Arbeit zu gehen.

Damit Sie daran denken, markieren Sie sich ein paar der zahlreichen „Übergänge“, die Sie den ganzen Tag übrig haben. Beispielsweise der Übergang von zu Hause ins Auto, der Übergang von draußen ins Büro, von einem Meeting ins nächste, von einem Telefonat zum nächsten Gespräch. Alles Übergänge. Und einige davon können Sie nutzen.

Achtsamkeit im beruflichen Alltag – so gehen Sie tiefer

Der nächste praktische Schritt: Beobachten Sie sich mit dieser Methode selbst im Gespräch und seien Sie dennoch ganz dem Anderen zugewandt. Ihr (trainierter) innerer Beobachter erlaubt Ihnen, sich selbst, den anderen und gleichzeitig die ganze Situation wahrzunehmen. Im ständigen Wechsel. Es verbessert Ihre Präsenz und Aufnahmefähigkeit ganz deutlich und macht Ihre Gespräche zielsicherer. Diese Fähigkeiten sind besonders in Verhandlungen und Einstellungsgesprächen von großem Nutzen!

MindWandering: das gedankliche Abschweifen gehört zum Mensch-Sein dazu. Achtsamkeitstraining hilft dem Fokus.

Des Weiteren sollten Sie Multitasking vermeiden – das empfehlen auch immer mehr Neuro-Wissenschaftler: Machen Sie stattdessen immer nur eine Sache nach der anderen. Ihr Gehirn ist für mehr nicht geschaffen. Aber diese eine Sache machen Sie dafür fokussierter, schneller und effizienter. Beginnen Sie nicht nur Ihre eigenen Arbeiten und Telefonate, sondern vor allem Ihre Meetings mit einer „Fokus-Minute“. Das ist im Zeitalter der permanenten Ablenkungen unumgänglich. So mache ich selbst es auch in meinen Vorlesungen. Sie möchten die Menschen doch auch nicht nur als bloße Körper vor sich sitzen haben. Sie sollen auch mit ihrem Verstand und Herzen da sein – und eben nicht in Gedanken woanders. Mit einer Fokus-Minute geben Sie ihnen Gelegenheit dazu. Dadurch verbessert sich sofort die Sitzungs-Effizienz.

Welche Auswirkungen hat die Achtsamkeit?

Abgesehen von der Stärkung des inneren Beobachters gehen Sie sehr viel konzentrierter und fokussierter in das nächste Meeting, Gespräch oder Telefonat. Beobachten Sie sich, wie Sie in kurzer Zeit sehr viel wirksamer werden. Und dieser innere Beobachter, den Sie damit stärken, der hilft Ihnen dann auch zum Perspektivenwechsel, Sachverhalte „von oben“, Emotionen „wie von außen“ zu beleuchten. Auch Ihre Wahrnehmungsfähigkeit wird deutlich steigen, wenn Sie Ihren „monkey mind“ hinter sich lassen können.

[Bildnachweis: © shutterstock.com / alphaspirit]

Dr. Friedhelm Boschert

Dr. Boschert ist zertifizierter Lehrer in Achtsamkeit und Gründer von “MINDFUL SOLUTIONS”. Er berät, coacht und trainiert Führungskräfte. 2011 veröffentlichte er sein Buch „Sich selbst führen. Und dann die anderen“.

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