Ab dem 01.08.2022 treten Neuregelungen insbesondere im Nachweisgesetz sowie Teilzeit- und Befristungsgesetz in Kraft. Das neue Nachweisgesetz sieht eine Ausweitung derjenigen „wesentlichen Vertragsbedingungen“ vor, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer in einem gewissen Zeitrahmen auszuhändigen hat.
Bereits ab dem 01.08.2022 müssen Arbeitgeber die Vorgaben in der Personalpraxis berücksichtigen – tun sie dies nicht, drohen unmittelbar Bußgelder!
Kommt der Arbeitgeber diesen Verpflichtungen nicht nach, kann dies mit einem Bußgeld von bis zu 2.000,00 € je Verstoß geahndet werden. Aufgrund der teilweise sehr kurzen Fristen kann dies den Arbeitgeber vor große Herausforderungen stellen. Ebenso für große Aufregung hat gesorgt, dass sich der deutsche Gesetzgeber dazu entschieden hat, dass die im Nachweisgesetz enthaltenen Vorgaben dem Arbeitnehmer schriftlich ausgehändigt werden müssen – eine elektronische Form bleibt explizit ausgeschlossen. Und das, obwohl die dem Nachweisgesetz zugrunde liegende EU-Richtlinie es ausdrücklich zugelassen hat und die Digitalisierung immer weiter voranschreitet.
Ob eine Herabstufung des Schriftformerfordernisses zum Textformerfordernis allerdings tatsächlich eine Erleichterung gewesen wäre, ist zweifelhaft.
Elektronische Signatur: Formerfordernis oder Formfreiheit?
Insbesondere seit Beginn der Pandemie im März 2020 sind die Personalabteilungen darauf bedacht, die Personalakten so zu digitalisieren, dass eine effiziente, nachhaltige und ortsungebundene Gestaltung gewährleistet werden kann.
Das deutsche Arbeitsrecht sieht zum Großteil keine Formvorgaben vor, so dass sich die Übertragung auf eine digitale Plattform in der Regel grundsätzlich einfach gestaltet. Schwieriger stellt sich allerdings die Lage in denjenigen Fällen dar, in denen das deutsche Arbeitsrecht zwingend ein Formerfordernis vorsieht. Um auch in solchen Fällen in die digitale Welt wechseln zu können, gelangt die Verwendung der elektronischen Signatur immer mehr in den Fokus der Aufmerksamkeit.
Eine grundsätzlich auch für Nichtjuristen noch nachvollziehbare Thematik ist die Unterscheidung von Schriftform, elektronischer Form oder Textform. Kommt dann allerdings noch die Unterteilung der elektronischen Form in drei verschiedene Abstufungen von elektronischen Signaturen hinzu, ist der Jura-Dschungel kaum noch zu durchdringen.
Wie schon festgehalten, sieht das deutsche Arbeitsrecht grundsätzlich keine zwingenden Formvorgaben oder lediglich die Einhaltung der Textform vor. Zur Einhaltung des Textformerfordernisses ist es ausreichend, wenn die Erklärung in irgendeiner Art und Weise in Schriftzeichen festgehalten wird (Bsp.: E-Mail/Telefax).
Für das Schriftformerfordernis gelten strengere Formvorgaben. So sieht das Gesetz vor, dass das Schriftstück eigenhändig durch Namensunterschrift (oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens) unterzeichnet werden muss. Die Unterschrift hat hierbei Klarstellungs- und Beweisfunktion und soll insbesondere dazu dienen, die Identität des Unterzeichnenden erkenntlich zu machen und darüber hinaus die Echtheit des Schriftstücks gewährleisten zu können.
Sofern das Gesetz die Schriftform für notwendig erachtet, kann diese durch die elektronische Form nach § 126a BGB ersetzt werden, es sei denn, dass gesetzlich etwas anderes bestimmt ist.
Die drei Arten einer elektronischen Signatur
Wie es so oft im juristischen Bereich ist, lässt sich die Frage, was unter dem Begriff der elektronischen Signatur zu verstehen ist, nicht so einfach beantworten. Tatsächlich unterschieden werden drei abgestufte Arten der elektronischen Signatur. Festzuhalten bleibt, dass lediglich die qualifizierte elektronische Signatur dazu geeignet ist, das Schriftformerfordernis – soweit zulässig – zu ersetzen. Die qualifizierte elektronische Signatur ist eine fortgeschrittene elektronische Signatur, die von einer qualifizierten elektronischen Signaturerstellungseinheit erstellt wurde und auf einem qualifizierten Zertifikat für elektronische Signaturen beruht. Hinzukommen muss ferner, dass die Unterschrift unter Verwendung elektronischer Signaturerstellungsdaten erstellt wird, die dem Unterzeichner zugeordnet werden kann, seine Identifizierung ermöglicht und eine nachträgliche Veränderung der Daten erkennen lässt.
Topmanager Journal
Sie möchten regelmäßig Neuigkeiten aus der Topmanagerwelt? Als Abonnent unseres Journals erhalten Sie viermal im Jahr exklusives Wissen kostenfrei in Ihr Mail-Postfach.
Anwendungsfälle: Schriftformerfordernis bleibt, Restrisiko bei elektronischer Form
Die soeben dargestellten unterschiedlichen Formvorgaben kommen an unterschiedlicher Stelle im Arbeitsrecht vor.
So können Arbeitsverträge nach deutschem Recht grundsätzlich formfrei abgeschlossen werden, so dass sämtliche Arten der elektronischen Signatur möglich sind. Aber auch hier gelten Schranken: Formerfordernisse können sich grundsätzlich aus dem Gesetz, bspw. aus dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, aus tarifvertraglichen oder betrieblichen Regelungen ergeben.
Auch für die Befristung des Arbeitsverhältnisses bzw. die auflösende Bedingung sieht das Gesetz ausdrücklich das Schriftformerfordernis vor. Dies wird insbesondere damit begründet, dass dem Arbeitnehmer durch Unterzeichnung eines befristeten Arbeitsvertrags bewusstwerden soll, dass er nur vorübergehend einem Beschäftigungsverhältnis nachkommt.
Sofern das Schriftformerfordernis nicht eingehalten wird, gilt der Arbeitsvertrag als unbefristet zustande gekommen, so dass an die Nichteinhaltung des Schriftformerfordernisses eine weitreichende Folge geknüpft ist. Dies führt selbstverständlich zu einem enormen Risiko beim Arbeitgeber, da in diesem Fall eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses nur noch mittels einer Kündigung erreicht werden kann. Greift dann noch das Kündigungsschutzgesetz, kann das Arbeitsverhältnis nur schwer bzw. – sollte sich der Arbeitnehmer hier drauf einlassen – gegen Zahlung einer hohen Abfindung beendet werden.
Der Wortlaut der entsprechenden Regelung im Gesetz sieht – anders als andere arbeitsrechtliche Regelungen – keinen ausdrücklichen Ausschluss der elektronischen Form vor. Mit Spannung erwartet wurden mehrere arbeitsgerichtliche Entscheidungen des Arbeitsgerichts Berlin sowie des LAG Berlin-Brandenburg. Die Entscheidungen – soweit veröffentlicht und bislang entschieden – sind allerdings ernüchternd. So haben sowohl das Arbeitsgericht Berlin in seiner Entscheidung vom 28.09.2021 (36 Ca 15296/20) als auch das LAG Berlin-Brandenburg in seiner Entscheidung vom 16.03.2022 (23 Sa 1133/21) im Ergebnis offengelassen, ob das Schriftformgebot beim Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags durch die elektronische Form ersetzt werden kann, da jedenfalls die Anforderungen an die QES durch die Arbeitgeber in beiden Fällen nicht eingehalten wurden. Zwölf weitere vor dem Arbeitsgericht Berlin anhängige Verfahren gegen den Lieferdienst Gorillas wurden – soweit ersichtlich – ohne gerichtliche Entscheidung erledigt, so dass auch insoweit keine abschließende gerichtliche Entscheidung als Wegweiser herangezogen werden kann.
Aufgrund dessen ist die Frage, ob die elektronische Form die Schriftform ersetzen kann, weiterhin nicht abschließend geklärt, so dass jedenfalls Restrisiken verbleiben. Auch in der Literatur wird die Frage nicht einheitlich gehandhabt, wenn auch eine starke Tendenz dahingehend geht, dass das Schriftformerfordernis durch die elektronische Form ersetzt werden kann. Hierfür spricht, dass die Ersetzung durch die elektronische Form gerade nicht – wie bspw. explizit bei Kündigungen und Aufhebungsverträgen – ausdrücklich ausgeschlossen ist. Die entgegenstehende Auffassung argumentiert demgegenüber kritisch dahingehend, dass die Befristungsabrede jedenfalls des Nachweises im Sinne des Nachweisgesetzes („NachwG“) bedarf und das Nachweisgesetz nach wie vor explizit eine Ersetzung durch die elektronische Form ausschließt.
Auch für die Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots sieht das Gesetz zwingend die Einhaltung des Schriftformerfordernisses vor – wie schon bei der Befristung eines Arbeitsverhältnisses ist allerdings die elektronische Form nicht ausdrücklich ausgeschlossen, so dass der Großteil der Literatur die Auffassung vertritt, dass ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot auch mittels qualifizierter elektronischer Signatur abgeschlossen werden kann. Die Kritiker in der Literatur beziehen sich insoweit ebenfalls auf § 2 NachwG.
Aufgrund der bestehenden Restrisiken ist es weiterhin den Arbeitgebern anzuraten, sich weder beim Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags noch eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots darauf zu verlassen, dass eine elektronische Signatur ausreichend ist – auch wenn dieser Weg die voranschreitende Digitalisierung massiv konterkariert. Es bleibt abzuwarten, wie sich die höchstrichterliche Rechtsprechung positionieren bzw. ob eine gesetzliche Klarstellung erfolgen wird. Gerade in Zeiten der Digitalisierung ist es wünschenswert, Rechtsklarheit zu haben.
Fazit: Rechtsunklarheiten führen zu Risiken beim Abschluss von Befristungsabreden und nachvertraglichen Wettbewerbsverboten
In diesem Zusammenhang bleibt allerdings festzuhalten, dass die „wesentlichen Vertragsbedingungen“ nach dem Nachweisgesetz so oder so in Schriftform festgehalten und dem Arbeitnehmer überreicht werden müssen, so dass eine komplette Übertragung auf den digitalen Weg auch künftig nicht möglich sein wird.
Selbst dann, wenn die elektronische Form als ausreichend angesehen wird, sieht das Gesetz sehr hohe Hürden für die qualifizierte elektronische Signatur vor. Erfüllt der Arbeitgeber diese Hürden nicht, läuft er Gefahr, dass die Befristung bzw. das nachvertragliche Wettbewerbsverbot nicht wirksam vereinbart worden ist.
Unsere Artikel-Empfehlungen:
[Bildnachweise: © iStock – simpson33 / South_agency]