Mythos: Inverses Headhunting

Mythos: Inverses Headhunting

Mythos: Inverses Headhunting 1024 683 Claus Verfürth

Ein Begriff taucht in der täglichen Beratungspraxis seit einiger Zeit zunehmend auf: inverses Headhunting. Immer mehr (Top-) Manager kommen auf uns zu und erkundigen sich nach unseren Aktivitäten in diesem Bereich. Der Begriff hat sich zu einem Synonym für die Aufdeckung von möglichen Optionen im sogenannten verdeckten Stellenmarkt entwickelt. Doch was steckt eigentlich hinter dem Begriff des inversen Headhuntings – und wie funktioniert es?

Inverses Headhunting vs. klassisches Headhunting

Zunächst werfen wir einmal einen Blick auf das klassische Headhunting. Hier wird ein Headhunter von einem Unternehmen beauftragt, eine Person für eine offene Position zu suchen. Das Unternehmen geht also von sich aus auf Kandidatensuche. Damit verbunden sind konkrete Vorstellungen, welches Profil ein Bewerber  mitbringen sollte. Das erleichtert die Auswahl von geeigneten Kandidaten aus einem Bewerberfeld und schafft Transparenz. Sowohl das Unternehmen, als auch die Bewerber wissen, worauf sie sich einlassen.

Das inverse Headhunting sollte dann genau umgekehrt funktionieren: Hierbei beauftragt eine Einzelperson (= Kandidat) einen Berater, eine geeignete Position zu finden. Dabei wird im Vorfeld ein bestimmter Bereich abgesteckt, für den der suchende Kandidat geeignet ist. Hier versucht der Berater nun, diesen Kandidaten zu präsentieren – quasi ein Bewerbungs-Vertrieb.

Je höher die Position, desto verdeckter der Arbeitsmarkt

Der Arbeitsmarkt ist ein äußerst dynamisches und vielschichtiges Umfeld für Bewerber. Das wird nicht nur bei den verschiedenen Headhunting-Ansätzen deutlich, sondern auch bei der Sichtbarkeit von freien Positionen. Je höher die Hierarchieebene und die Vergütung einer freien Stelle sind, desto weniger offen präsentieren Arbeitgeber diese am Arbeitsmarkt. Vielmehr werden derartige Stellen vor allem durch Kontakte, Netzwerke und mit Hilfe von Personalberatern besetzt.

Sicher gibt es auch vereinzelte Ausschreibungen, aber oft sind die Unternehmen dann in diesem speziellen Fall dazu verpflichtet und die Entscheidung über die Besetzung ist meist schon getroffen. Trotzdem muss man als Kandidat natürlich auch diesen Markt im Auge haben. Darüber hinaus existieren  keine „Vakanzendatenbanken“, um herauszufinden, in welchem Unternehmen gerade welche Positionen zu besetzen sind.

Die Flut an Initiativbewerbungen verbrennt das eigene Profil

Die Flut an Initiativbewerbungen verbrennt das eigene Profil

Um diese Hürde zu überwinden, neigen einige Bewerber dazu, eine Fülle von Initiativbewerbungen zu verschicken. Auf der Executive-Ebene ist dies für CEO, CFO, Topmanager und leitende Führungskräfte ein absolutes No-Go, denn mit derartigen Verfahren beschädigt man sein eigenes Profil nachhaltig. Und je kleiner die Branche, desto größer die Gefahr, sich inflationär auf jeden Schreibtisch zu legen. Sowas spricht sich natürlich rum und das eigene Profil verbrennt.

Eine ganze Reihe von Beratungsunternehmen gibt vor, im Rahmen des inversen Headhuntings Optionen generieren zu können oder einen Überblick über alle möglichen Vakanzen im Markt zu haben. Doch wie sieht das in der Praxis aus? Meist wird im ersten Schritt eine große Anzahl von Adressen (je nach gekauftem Paket: 100-300) in einem bestimmten Branchenumfeld mit den dazugehörigen Ansprechpartnern identifiziert. Das ist einfach und lässt sich über Unternehmensdatenbanken ohne größeren Aufwand bewerkstelligen.

An diese Adressen werden in blauen oder bordeauxfarbenen Bewerbungsmappen Initiativbewerbungen verschickt. Diese beinhalten ein allgemein gehaltenes und immer gleiches Anschreiben, welches keinerlei Bezug des Kandidaten zur angeschriebenen Firma enthält. Auch aus welchem Grund der Kandidat für die angeschriebenen Firma einen Mehrwert liefern könnte, bleibt offen. Für eine erfolgreiche Bewerbung ist das viel zu wenig und nicht besonders professionell.

Netzwerkarbeit in der Executive Placement Beratung

Als Executive Placement Beratung gehen wir bei The Boardroom einen anderen, aus unserer Sicht für Kandidat und Unternehmen sinnstiftenden Weg. Im ersten Schritt müssen auch wir erst einmal herausfinden, bei welcher der gemeinsam mit dem Kandidaten festgelegten Zielfirmen eine Vakanz besteht – sollten wir durch unsere direkte Vernetzung nicht ohnehin bereits davon wissen. Wir nutzen also die direkten Kontakte und aufgebauten, hochkarätigen Netzwerke zu Entscheidern und Firmen.

Wenn eine Vakanz besteht, platzieren wir im zweiten Schritt unsere Klienten bei diesen Zielfirmen. Es wäre anmaßend, wenn wir behaupten würden, wir hätten zu allen gewünschten Zielfirmen einen belastbaren Kontakt. Das hat niemand – auch wenn man über eine exzellente Vernetzung auf Entscheiderebene verfügt und jahrelang auf diesem Level aktiv ist. Wenn wir keinen belastbaren Kontakt haben, sprechen wir die Firmen initiativ an. Aber wie immer, gilt auch hier: Ohne eine bestehende Vakanz gibt es kein Gespräch. Das Versprechen, man könne Bedarfe erwecken, wo keine sind, ist leider purer Unsinn.

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Gezieltes Headhunting statt Bewerbungs-Inflation

Die Platzierung durch unsere Senior Executive Consultants erfolgt mit einer Begründung, warum der Kandidat durch seine Vorerfahrungen und Erfolge einen Mehrwert für das Unternehmen mitbringt. Eine genaue Bestimmung der individuellen USP des Kandidaten ist dafür zwingend erforderlich. General Management Skills werden auf Topmanager-Ebene ohnehin vorausgesetzt. Wir brauchen die Merkmale, die unseren Klienten von anderen Kandidaten unterscheidet. Und ebenso ist die Identifikation der aktuellen Herausforderungen im Unternehmen wichtig – sonst gibt es keinen Match. In der gezielten Ansprache von Unternehmen steckt selbstverständlich ein nicht unerheblicher Aufwand – dieser zahlt sich jedoch im Nachhinein aus.

Ein weiterer Baustein unserer Beratung ist das Nutzen von Kontakten zu Headhuntern. Headhunter sind grundsätzlich nur dann an Profilen interessiert, wenn sie mandatiert sind und das Profil zu dem Mandat passt. Sonst eben nicht. Und das hat nichts mit der Güte von Profilen oder Personen zu tun. Das Geschäftsmodell ist so ausgerichtet, dass Unternehmen die Suche bezahlen. Der direkte Kontakt zu Headhuntern ist aber noch aus einem anderen Grund sehr wichtig. Nur so erfährt man, ob Mandate vorhanden sind oder nicht. Und hier kann man auch sein Profil nicht verbrennen. 20 Headhunterkontakte sind besser als nur zwei oder drei Ansprechpartner.

Fazit: Eine sinnvolle Platzierung bedarf einer guten Vorbereitung

Inverses Headhunting oder Job-Hunting darf keine ziellose Versendung von Initiativbewerbungen sein. Auf dem Executive-Level hat dies fatale Folgen. Es entsteht der Eindruck, dass der Kandidat unter „Kontrahierungsdruck“ steht. Ob eine Option im Unternehmen überhaupt besteht, ist die erste wichtige Information, die aufwändig beschafft werden muss. In Acht nehmen müssen sich Kandidaten übrigens auch davor, wenn Sie von „CV-Maklern“ bei den Personalberatern in der Unternehmenswelt wahllos herumgereicht werden. Das hat den gleichen negativen Effekt, wie die vermehrte Versendung von Initiativbewerbungen auf dem Executive-Level.

Für eine sinnvolle Platzierung muss ein Match zwischen dem spezifischen Erfahrungsschatz des Kandidaten und den aktuellen Herausforderungen des Unternehmens erarbeitet werden. Und natürlich wird ein zugespitzten Profil benötigt, welches auf das jeweilige Unternehmen abgestimmt ist und eine eindeutige Zielsetzung aufweist. Sonst wirkt alles wie ein „Bauchladen“, den man darbietet – in der Hoffnung, dass sich jemand etwas heraussucht. Das macht aber kein Entscheider und auf dem Executive-Level reicht das bei Weitem nicht aus.

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[Bildnachweise: © iStock – EXTREME-PHOTOGRAPHER / South_agency]

Claus Verfürth

Claus Verfürth ist Managing Director und Partner bei The Boardroom, dem von Rundstedt Beratungsbereich für Top-Manager.

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