Menschen gewinnen (Teil IV)

Menschen gewinnen (Teil IV)

Menschen gewinnen (Teil IV) 1024 678 Moritz Freiherr Knigge

Top-Führungskräfte besitzen 4 #Gewinnertalente. Sie gewinnen, weil für sie nicht zählt was ist, sondern wie es gelingt. Wie Sie Menschen gewinnen, wann Sie sie verlieren und warum das wichtig ist für Führende, lesen Sie im letzten Teil in der Blogreihe von Moritz Freiherr Knigge für The Boardroom. Teil 4 widmet sich dem Gewinnertalent „Erfinden“. Wer Menschen gewinnen will sollte erfinden, was das Zeug hält. Weil der Menschen gewinnt, wer Möglichkeiten wachsen lässt.

Von Daniel Düsentrieb lernen

Mit mehr als 25.000 Patentanmeldungen jährlich, belegt Deutschland weltweit einen Spitzenplatz. Wir sind das Land der Erfinder. Unsere Hidden Champions beschäftigen Daniel Düsentriebs im fünfstelligen Bereich; damit auch der Erfolg von morgen in der Region bleibt. Erfolgreiche Unternehmen interessiert es nicht, wie die Welt ist, sondern was sie tun müssen, um die Möglichkeiten von heute für morgen weiterzuentwickeln. Die Geschichte zeigt es: Dem Erfindungsreichtum von Carl Benz ist es zu verdanken, dass die Menschen seit 1886 ein Automobil nutzen können, statt ausschließlich zu Pferd zu reisen. Eine Kutsche so zu bauen, dass sie mittels Motorkraft, anstatt Pferdestärke, von Mannheim nach Pforzheim fährt, ist revolutionär.

Von Pippi Langstrumpf lernen

Erfolgreiche Unternehmen beschäftigen Topmanager, die alles für möglich halten. Diese missbrauchen die Macht ihrer Position nicht für ihr Ego, sondern sie stellen ihre Macht in den Dienst von Neugier, Fantasie und Wohlwollen. Wie Pippi Langstrumpf machen sie die Welt so, dass sie uns gefällt. Sie denken in Chancen und erschaffen Möglichkeiten, damit die Dinge gelingen können. Nicht naiv oder weltfremd, sondern zukunftsfähig.

Von Physikern lernen

Aber was macht Erfinder eigentlich aus? Was bringen Senior Executives mit an den Tisch, was Anderen fehlt? Warum bringen sie dort Dinge voran, wo andere stecken bleiben?
Ich glaube, weil sie Lücken erkennen und Lösungen finden. So wie der Physiker und Kybernetiker Heinz von Foerster. Die konkurrierenden Hypothesen über die Entstehung des Weltalls – vom allmächtigen Schöpfer bis hin zum Urknall – sind nichts anderes als ein Wettstreit der Poeten.
Ob Physiker oder Theologe, letztlich gehe es darum, eine lustige, amüsante, ja, die interessanteste Geschichte zu erfinden. Eine Geschichte, die die meisten Zuhörer erreicht.

Die Physiker haben zu diesem Zweck einfach Teilchen erfunden, um die Leerstellen in ihren Theorien erklären zu können.

Die Logik des Zwischenmenschlichen

Wenn es schon in den Naturwissenschaften dieses Erfindungsreichtums bedarf, dann brauchen wir diesen im Zwischenmenschlichen möglicherweise umso mehr. Und tatsächlich erfinden auch wir, was das Zeug hält. So schließen wir unsere Leerstellen in der Kommunikation mit unseren Mitmenschen. Denn: mit Ungewissheiten und Missverständnissen finden wir uns ungern ab. Wir suchen nach Erklärungen für die Leerstellen. Und diese finden wir in der zwischenmenschlichen Kommunikation ziemlich schnell: im Verhalten der Anderen. Für das Verhalten anderer haben wir schnell Erklärungen zur Hand: Er oder sie ist arrogant, hat keine Manieren, ist feige, ein Schaumschläger, ist inkompetent oder stur, etc. So wie die Teilchen in der Physik die Leerstellen der Theorien schließen, ermöglichen uns solche kommunikativen Teilchen Gewissheit: Die anderen sind das Problem. Eine ebenso verführerische wie fantasielose Erklärung.

Menschen gewinnen (Teil II)

Gewinnertalent Nr. 2: #beherrschen

Irrtumslust statt ISSO!

Ich erinnere mich an ein Gespräch mit einem Senior Executive, das ich nach einem meiner Vorträge geführt habe. Das Gespräch läuft gut. Reden und Zuhören wechselt sich in einem Maße ab, wie es selten der Fall ist. Der Dialog existiert nicht nur ideell, sondern ist Wirklichkeit. Das hat mich gefreut. Und deshalb habe ich mich nach dem Gespräch dafür bedankt. Darauf antwortet besagter Herr: „Lieber Herr Knigge, diese Lust am Dialog habe ich wohl von meinem ältesten Freund gelernt – wir kennen uns seit dem Studium – und haben uns nächtelang die Köpfe heiß geredet. Auch haben wir uns gestritten, angeschrien und jedes zweite Mal haben wir einander die Freundschaft aufgekündigt.

Eines nachts, nach einer wiederholt hitzigen politischen Debatte, schaute er mir tief in die Augen, lächelte und sagte: Weißt Du was? Ich könnte mich auch irren!“
Das hat mich beeindruckt. Denn: wir entscheiden selbst, wie wir die Beziehungen zu unseren Mitmenschen gestalten wollen. Und die Art dieser Beziehungen entscheidet darüber, ob wir erfolgreich mit anderen zusammenarbeiten. Der sensible Umgang mit anderen Menschen ist nach wie vor ein unterschätzter Erfolgsfaktor; und somit verschenktes Potential, Menschen zu gewinnen.

Die eigene Ungeschicklichkeit akzeptieren

Als ich letztens wieder im Buch Über den Umgang mit Menschen von Adolph Freiherr Knigge aus dem Jahr 1788 geschmökert habe, ist mir wieder einer meiner Lieblingssätze ins Auge gefallen:

„Habe ich widrige Erfahrungen gemacht, die mich von meiner eigenen Ungeschicklichkeit überzeugt haben – desto besser! Wer kann so gut vor Gefahr warnen, als der, welcher darin gesteckt hat!“

Ich mag diesen Satz sehr, weil er einen steilen Gedanken zulässt: Rücke deine Ungeschicklichkeit in den Mittelpunkt und nicht die der anderen! Das ist mutig und beweist Irrtumslust und Erfindungsreichtum. Frei nach dem Motto: Ich bin so frei, radikal die Perspektive zu wechseln und sogar mich selbst zum Narren zu machen, weil ich sie dann klarer sehe. Ich erkenne die Möglichkeiten, die Leerstellen zu schließen.

Die Britische Höflichkeit als Vorbild

Ein gutes Beispiel: Wenn Sie in Großbritannien jemandem versehentlich auf den Fuß treten, wird sich der auf den Fuß getretene zuerst bei Ihnen entschuldigen. Und im Anschluss, wenn Sie sich für Ihren Fauxpas bei ebendiesem entschuldigt haben, bedankt er sich bei Ihnen. An einer derart paradoxen Situation hätte Pippi Langstrumpf ihre helle Freude: wird hier doch erfunden, was das Zeug hält! Herrlich. Der eine tritt dem anderen auf den Fuß und der Getretene entschuldigt sich: Die spinnen doch die Briten! Keineswegs. Warum? Weil etwas gelingen soll!

… und weil die schnöde Realität dazu nichts Erhellendes hätte beitragen können.

Die Gedanken sind frei

Unsere Gedanken sind frei. Und wir sind so frei, ihnen die gewünschte Richtung zu geben: zu unserem eigenen Wohl und dem unserer Mitmenschen. Wir können jederzeit entscheiden, wie wir miteinander umgehen wollen. Ob der Andere ein Vollidiot oder ein Träumer ist, ob er unfassbar arrogant oder spürbar unsicher ist, ob wir in die Luft gehen oder lieber tief durchatmen. Wir können stets selbst entscheiden. Daran kann uns niemand hindern: weder sozialer Druck, noch unsere Affekte, und schon gar nicht die scheinbare Realität. Mit ISSO! kommen wir nicht weit im ICH-MENSCH-DU-MENSCH–SPIEL. Machen wir uns die Welt doch lieber so, dass sie uns gefällt.

Pippi Langstrumpf im Drogeriemarkt

Wie gut sich Wohlwollen anfühlt und wie förderlich das für gute Laune ist, das habe ich von einer freundlichen Kassiererin im Drogeriemarkt gelernt: Unbestritten meine Topmanagerin des Gewinnertalents #Erfinden. Die Situation ist folgende gewesen:

Ich stehe an der Kasse. Vor mir ein Mann mit Vollbart. Die Kassiererin begrüßt ihn freundlich: „Guten Tag.“ Der Vollbärtige antwortet nicht. Die Kassiererin scannt seine Einkäufe ein: „Das macht € 15,58, bitte.“ Der stumme Mann mit Bart gibt ihr wortlos 20€ . Die Kassiererin bedankt sich und gibt ihm sein Wechselgeld. Er nimmt das Geld stumm entgegen. Die Kassiererin bleibt ihrer freundlichen Linie treu: „Auf Wiedersehen und einen schönen Tag noch.“ Der stumme Herr bleibt auch seiner Linie treu und zieht schweigend von dannen. Die Kassiererin schaut zu mir und sagt freundlich: „Guten Tag.“ Dann, ganz unaufgeregt, sagt sie zu mir: „Wahrscheinlich hat er mich nicht gehört.“
Das hat mir gefallen: Pipi Langstrumpf in Drogeriemarkt meines Vertrauens. Sie macht die Welt so, dass Möglichkeiten wachsen können.

[Bildnachweis: © GettyImages – Natasa Adzic]

Moritz Freiherr Knigge

Geboren mit einem Namen, der so bekannt ist wie Persil, wuchs der Unternehmer in Bredenbeck auf. Schon als Student der Betriebswirtschaftslehre stieß Moritz Freiherr Knigge auf eine einfache Logik: Gewinner gewinnen Menschen. Seit mehr als 20 Jahren sprach Moritz Freiherr Knigge in Wirtschaft und Gesellschaft über das Nützliche im Richtigen. Unser Gastautor ist am 5. März 2021 verstorben.

Alle Beiträge von:Moritz Freiherr Knigge