Wie in Familien, gibt es auch in Firmen immer wieder Machtspiele. In Firmen nimmt die Häufigkeit der Machtspiele zu, je enger die Ressourcen werden. Das bedeutet: Je weiter man die Karriereleiter aufsteigt, desto weniger Möglichkeiten gibt es, noch weiter aufzusteigen – dafür aber verhältnismäßig immer mehr Bewerber um den gleichen Platz an der Sonne. Das führt in etlichen Firmen dazu, dass es in den oberen Etagen gehäuft zu Machtspiele kommt.
Dabei geht es zum einen darum, das eigene Revier zu sichern, zum anderen darum, sich in eine gute Position für den nächsten Karrieresprung zu bringen, während man gleichzeitig andere in eine schlechtere schiebt. Solche Machtspiele gehen letztlich immer auf Kosten der Firmeninteressen, denn das Absichern und Fallenstellen kostet Energie, die dem Unternehmen verlorengeht.
Warum werden in den Führungsetagen Machtspiele gespielt?
Dass überhaupt Machtspiele gespielt werden, hat auch etwas mit der hierarchischen Gliederung in Firmen zu tun. Wenn eine Firma wie eine Pyramide aufgebaut ist, ist der Aufstieg schwierig. Es gilt: Je größer der Einfluss, je höher der Headcount, desto wichtiger ist man, desto besser wird man bezahlt, desto größer die Chance, es bis nach ganz oben zu schaffen. Einigen Theorien zufolge werden in großen Firmen zwischen vierzig und fünfzig Prozent der Energie eines Managers in die Machtspiele „investiert“, die den Aufstieg vorantreiben sollen. Als Folge daraus ist die Arbeit von Vorstandsteams destruktiv, langjährige „Zusammenarbeit“ fast unmöglich.
Dabei geht es auch anders. Es kommt auf die Zusammensetzung der Vorstandsmitglieder an. Sind beispielsweise alle nicht besonders status-bewusst, sondern wollen lieber gemeinsam gestalten und sich gegenseitig Freiräume lassen, kann das miteinander arbeiten auch auf dieser Ebene ganz ohne Machtspiel funktionieren. Ich habe mit einem Vorstands-Board gearbeitet, bei dem das hervorragend geklappt hat – solange, bis es einen neuen Vorstandsvorsitzenden gab. Dank eines einzigen machtbewussten Menschen hat sich ein gut funktionierendes Team innerhalb von Monaten in ein Haifischbecken verwandelt.
Wirkmechanismen und Funktionsweisen von Machtspielen
Die Transaktionsanalyse definiert Psychologische Spiele als unbewusst ablaufende Manipulationsmechanismen. Im Topmanagement-Bereich wird gezielt und absichtlich „gespielt“, was man in der Transaktionsanalyse statt „Spiel“ als „Manöver“ bezeichnet. Die Nomenklatura ist aber letztlich nicht entscheidend, denn egal ob „Spiel“ oder „Manöver“, beides läuft nach dem gleichen Muster ab. Gespielt wird in aller Regel im sogenannten „Drama-Dreieck“, das aufgeteilt ist in drei klassische Rollen: Opfer, Retter und Verfolger. Ein Opfer sucht sich einen Retter, ein Verfolger wiederum sucht sich sein Opfer. Opfer und Retter wirken dabei auf den ersten Blick sympathischer als der Verfolger – man darf jedoch nicht vergessen, dass alle drei Rollen zu manipulativen Zwecken eingenommen werden. Auch Opfer und Retter handeln nicht aus tatsächlicher Hilflosigkeit oder nur aus purer Menschenfreundlichkeit heraus. Außerdem kann ein vermeintliches Opfer, dem nicht geholfen wird, oder ein Retter, dessen „Hilfsangebote“ verweigert werden, bei Bedarf schnell zu einem aggressiven Verfolger mutieren.
Die drei Einstiege in ein Machtspiel
- Der Einstieg in ein Spiel kommt häufig dadurch zustande, dass ein Sachverhalt stark verzerrt wird. Dafür eignen sich sogenannte Absolut-Begriffe hervorragend: „Immer haben wir die gleiche Situation / Nie kann man sich auf Ihre Abteilung verlassen / Alle wissen doch, dass…“ Durch die Verwendung von Absolut-Begriffen wird gleich eine höhere Dramatik erzeugt, das fördert die Emotionalität.
- Ein anderer beliebter Einstieg besteht darin, Wesentliches einfach auszublenden. Man kann sowohl bei sich selbst etwas ausblenden, als auch bei anderen (beispielsweise Fähigkeiten). Und auch Tatsachen können in manchen Situationen ausgeblendet werden, zum Beispiel, wenn man im Meeting in Anwesenheit des Vorstands ausrastet. Auch wenn man zu dem Ausbruch provoziert wurde, blendet man aus, dass ein solches Meeting nicht der richtige Rahmen ist, seiner Empörung Ausdruck zu verleihen.
- Die dritte Möglichkeit, einen Anderen in ein Spiel zu locken, besteht darin, ein Bild von ihm zu entwerfen, wie er garantiert nicht gesehen werden will. Wenn jemand zum Beispiel auf gar keinen Fall als „führungsschwach“ wahrgenommen werden möchte, wird er sehr empfindlich reagieren, wenn man ihm im Meeting vorwirft, er sei ohnehin viel zu weich und lasse sich von den Mitarbeitern auf der Nase herumtanzen.
Lässt jemand einen ausgelegten „Köder“ liegen, kommt auch kein Spiel zustande
Spiele können nur gespielt werden, wenn bei dem, der ins Spiel gezogen werden soll, ein „wunder Punkt“ vorhanden ist. Einen Vorgesetzten etwa damit ködern zu wollen, dass er sich viel zu wenig um seine Mitarbeiter kümmere, funktioniert nur, wenn der selbst ein schlechtes Gewissen diesbezüglich hat. Jemand, der mit seinem Führungsstil im Reinen ist, reagiert nicht auf Vorwürfe, er sei zu nachgiebig, zu hart oder zu autoritär.
Psychologische Spiele funktionieren, wenn zwei mitspielen: Einer, der das Spielangebot macht & einer, der es annimmt
„Wer ist schuld an dem Problem?“ – Machtspiele im Stil eines Gerichtsaales
Ein häufig anzutreffendes Spiel, mit dem auch Machtspiele ausgefochten werden können, ist das „Gerichtssaal-Spiel“. Dabei geht es darum, einen Schuldigen zu finden. Wenn etwas schiefgegangen ist, steht häufig nicht die Suche nach Lösungen im Vordergrund. Stattdessen wird viel Energie darauf verwendet, herauszufinden, wer daran Schuld hat. Man muss also nach Möglichkeit so gut spielen, dass die Schuld auf jeden Fall nicht bei einem selbst oder in der eigenen Abteilung landet, sondern am besten beim Lieblingsfeind. Die Suche nach Lösungen gerät dabei leicht ins Hintertreffen. Schafft man es, durch geschickte Argumentation und gekonnte Auswahl der Fakten, dem Anderen recht oft die Rolle des Schuldigen unterzujubeln, stärkt man auf jeden Fall die eigene Machtposition.
Guter Spieler – schlechte Führungskraft?
Gute, und damit gefährliche, Spieler wissen sehr genau, wann sie angreifen und wann sie sich zurückhalten sollten. Das gelingt nicht jedem. Viele Menschen gehen nach einem Angriff automatisch zum Gegenangriff über. Das kann von einem „versierteren“ Spieler ausgenutzt werden, zum Beispiel, indem er eine Situation herbeiführt, die den anderen „zwingt“, auszurasten und so das Gesicht zu verlieren.
Die andere Seite von Machtspielen ist, dass sie oft eine Form sind, mit der eigenen Angst umzugehen – schließlich erleben sich Topmanager oft als quasi im Krieg. Sie gehen damit um, indem sie möglichst brutal zuschlagen, um den Gegner mehr zu ängstigen, als sie selbst geängstigt sind. Es wird ein großes Bedrohungsszenarium aufgebaut, damit die anderen gar nicht erst auf den Gedanken kommen, ihrerseits anzugreifen.
Führungskräfte, die auf Grund ihrer guten Arbeit aufsteigen, sind manchmal perplex und auch verunsichert, was ihnen in den oberen Etagen an Machtspielen begegnet. In solchen Fällen empfehle ich ein Coaching bei dem sehr genau hingeschaut wird, ob es für denjenigen eine Chance gibt, zu lernen, sich im Haifischbecken zu bewegen oder ob der permanente Umgang mit Spielen ihn so auslaugt, dass er sich besser eine andere Rolle im Unternehmen sucht.
Meiner Erfahrung nach sind Machtspiele in mittleren und kleineren Familienunternehmen und in mittelständischen Firmen nicht so ausgeprägt wie in großen Firmen oder Konzernen. Im Mittelstand sind die Machtverhältnisse meist eindeutiger, es werden seltener die Stellen gewechselt und dort ist es häufiger so, dass man das, was man sich einbrockt, auch selbst auslöffeln muss.
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