Experteninterview zum Deutschen Führungskräftetag 2024
unter dem Leitmotto „Führung mit Intelligenz“
Zum Deutschen Führungskräftetag 2024 bieten wir vorab interessante Einblicke in den Bereich KI und Leadership und führten ein exklusives Experteninterview mit:
- Claus Verfürth,
Geschäftsführer und Partner, The Boardroom, sowie - Roland Angst,
Präsident, ULA Deutscher Führungskräfteverband.
Das Interview beleuchtet, wie KI-Technologien die Führungspraxis beeinflussen, welche Kompetenzen für Führungskräfte künftig entscheidend sind und warum ein zielgerichtetes Handeln für Unternehmen, Politik und die eigene Karriere notwendig sind. Lesen Sie wertvolle Impulse für die Gestaltung zukunftsfähiger KI und Leadership Strategien.
1. Herr Angst, warum sollten sich Führungskräfte jetzt mit KI und Leadership befassen?
Roland Angst: Führungskräfte stehen heute vor der Herausforderung, sich intensiv mit Künstlicher Intelligenz (KI) und den damit verbundenen digitalen Transformationen auseinanderzusetzen. Diese Technologien verändern grundlegend die Art und Weise, wie Unternehmen operieren. KI bietet eine Vielzahl von Vorteilen für die Geschäftswelt, indem sie Entscheidungsprozesse durch Datenanalyse verbessert, zeitraubende Verwaltungsaufgaben automatisiert und personalisierte Entwicklungspläne für Mitarbeiter erstellt. Dies ermöglicht Führungskräften, sich stärker auf strategische Aufgaben, Innovation und die individuelle Förderung ihrer Teams zu konzentrieren.
Zugleich stellt die Implementierung von KI-Technologien Führungskräfte vor neue Herausforderungen. Sie müssen technisches Verständnis mit zwischenmenschlichen Fähigkeiten verbinden, ethische Fragen adressieren und die Akzeptanz ihrer Teams sichern. Darüber hinaus ist es entscheidend, dass Führungskräfte eine Kultur der Inklusivität und Transparenz fördern. So können sie das volle Potenzial von KI nutzen, ohne dabei die Bedürfnisse und Ängste der Mitarbeiter zu ignorieren.
Der Einsatz von KI in der Führung erfordert daher eine kontinuierliche Weiterbildung und Anpassung der Führungskompetenzen, um sowohl technologische als auch menschliche Aspekte effektiv zu integrieren und die Organisation zukunftsfähig zu machen.
2. Herr Verfürth, glauben Sie, dass künstliche Intelligenz zukünftig Führungskräfte ersetzen kann?
Claus Verfürth: In naher Zukunft könnten Chatbots in bestimmten Branchen eingesetzt werden, um Mitarbeiter zu begrüßen, den Arbeitstag zu organisieren, Aufgaben zuzuweisen und die Ergebnisse zu überwachen. Künstliche Intelligenz wird jedoch vorerst keine Führungspositionen übernehmen. Eine Studie von Deloitte zu den Jobs der Zukunft bis 2035 zeigt, dass die Rolle eines CEOs durch digitale Technologien verändert, aber nicht ersetzt wird. KI wird vermehrt unterstützend wirken, indem sie Datenanalysen (13 Prozent der Arbeitszeit) automatisiert und Prognosen als Grundlage für strategische Entscheidungen liefert. Hierdurch werden CEOs mehr Zeit für strategische und interaktive Aufgaben haben, die menschliche Interaktion und Empathie erfordern.
Der menschliche Aspekt bleibt entscheidend, insbesondere in der Personalführung sowie im Kundenkontakt, und kann nicht einfach durch Technologie ersetzt werden. Es wird sogar ein Anstieg in Managementberufen, unter anderem Geschäftsführung und Vorstand, prognostiziert (9 Prozent). Die Rolle von Führungskräften wird sich durch KI insgesamt verändern, da sie sich nicht nur mit den Technologien vertraut machen, sondern auch ihre Teams entsprechend weiterbilden und anleiten müssen. Die Herausforderung liegt darin, ein Gleichgewicht zwischen technologischer Effizienz und menschlicher Intuition zu finden.
Führungskräfte, die diese Balance erreichen, werden ihre berufliche Rolle neu gestalten und ihre Karriereziele anpassen müssen, um weiterhin einen sinnvollen Beitrag zu leisten.
3. Herr Angst, wie gelingt Führungskräften die KI-Transformation in der Praxis, um die Unternehmenszukunft positiv mitzugestalten?
Roland Angst: Um die KI-Transformation in der Praxis erfolgreich zu meistern und die Zukunft ihres Unternehmens positiv zu gestalten, sollten Führungskräfte mehrere entscheidende Schritte in Betracht ziehen. Zunächst ist die Bildung und Weiterbildung essenziell. Laut einer Studie von PwC planen 77 Prozent der CEOs, die digitalen Fähigkeiten ihrer Belegschaft zu stärken. Eine klare, strategische Planung ist ebenfalls unerlässlich, wobei ein spezifisches Framework für die Implementierung von KI-Projekten entwickelt werden sollte. Dieser sollte sowohl die Technologieauswahl als auch die Fortschrittsmessung umfassen. Ethik und Compliance dürfen nicht vernachlässigt werden, insbesondere unter Berücksichtigung des EU AI Acts, der hohe Anforderungen an die Transparenz und ethische Ausrichtung von KI-Systemen stellt.
Daneben spielen Partnerschaften mit Technologieanbietern und Forschungseinrichtungen eine wichtige Rolle. Denn laut Deloitte geben 65 Prozent der Unternehmen an, dass dies ein Schlüsselelement ihrer Strategie ist. Schließlich ist ein Kulturwandel unerlässlich, der das gesamte Unternehmen in den Transformationsprozess einbezieht und eine Kultur fördert, die Innovation unterstützt und transparente Kommunikation sowie das Engagement der Stakeholder priorisiert.
Durch diese Maßnahmen können Führungskräfte sicherstellen, dass Unternehmen nicht nur den aktuellen Herausforderungen gewachsen sind, sondern auch eine führende Rolle in der zukünftigen Wirtschaftslandschaft einnehmen.
Der Deutsche Führungskräfteverband ULA hat für die Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten und die Verbände des ULA-Netzwerkes beispielsweise eine Guideline erarbeitet. Diese kann als Leitlinie für Verhandlungen zwischen Beschäftigten und Arbeitgebern dienen, um einen erfolgreichen KI-Einsatz in den Unternehmen sicherzustellen.
4. Herr Angst, warum muss die Politik jetzt einen Rahmen für KI setzen und warum ist es auch für Führungskräfte gerade jetzt wichtig, sich dabei in die politische Debatte einzubringen?
Roland Angst: Politische Rahmenbedingungen sind essenziell, um den Einsatz von KI ethisch verantwortlich, sicher und im Einklang mit gesellschaftlichen Werten zu gestalten.
Klare Vorschriften sind notwendig, da ohne diese Datenschutzverletzungen, unfaire Arbeitspraktiken und andere ethische Dilemmata entstehen könnten.
McKinsey warnt, dass bis 2030 weltweit bis zu 800 Millionen Arbeitsplätze durch Automatisierung bedroht sein könnten, was die Notwendigkeit von sozialen Sicherheitsnetzen und Umschulungsprogrammen unterstreicht. Gleichzeitig ist KI ein Schlüsselfaktor für Innovation und Wettbewerbsfähigkeit, wobei 68 Prozent der deutschen Unternehmen laut des Branchenverbands Bitkom KI als zentrale Zukunftstechnologie sehen.
Ein ausgewogener rechtlicher Rahmen fördert Investitionen und die Entwicklung neuer KI-Technologien, was wiederum das Wirtschaftswachstum stärkt. Zudem ist ein kritischer Blick auf Datenschutz und Sicherheit erforderlich, da 80 Prozent der KI-Nutzer Datenschutzverletzungen als Hauptbedenken äußern. Der EU AI Act ist ein Beispiel für solche regulatorischen Bemühungen, indem er KI-Anwendungen nach Risikoniveau kategorisiert und strenge Anforderungen an Hochrisikoanwendungen stellt, um Vertrauen und Akzeptanz in der Gesellschaft zu fördern. Für Führungskräfte ist es gerade jetzt wichtig, sich in die politische Debatte einzubringen, da sie direkt betroffen sind.
Wir als ULA leisten dies in Berlin und über unseren Dachverband CEC auch in Brüssel. In dem die Führungskräfte ihre praktische Erfahrung aus ihrem Führungsalltag einbringen, können sie dazu beitragen, dass die Gesetzgebung realistisch und umsetzbar erfolgt und Innovationen nicht unnötig behindert werden. Dass die politischen Entscheidungsträger an einem direkten Dialog mit dem mittleren und oberen Management interessiert sind, zeigen die vielen namhaften Zusagen zum Deutschen Führungskräftetag 2024.
5. Herr Verfürth, welche Kompetenzen sollten Führungskräfte entwickeln, um in einer von KI geprägten Arbeitswelt erfolgreiche Karrieren zu gestalten?
Claus Verfürth: Wir befinden uns wieder in einem weitreichenden technologischen Umbruch. Führungskräfte müssen nun ein tiefergehendes Verständnis der Möglichkeiten von KI gewinnen und Wege finden, diese effektiv zu nutzen. Das obere Management muss auch in der Lage sein, KI-Technologien zu „leiten“ und entscheiden können, welche Technik in welche Prozesse einzubeziehen sind. Daneben benötigen Führungskräfte in einer KI-geprägten Arbeitswelt auch Kompetenzen wie Anpassungsfähigkeit, kontinuierliches Lernen, ethisches Urteilsvermögen im Umgang mit der KI und die kommunikative Fähigkeit, interdisziplinäre Teams zu führen.
Die Jobs der Zukunft in der Unternehmensführung werden laut Studie weniger Routinetätigkeiten umfassen, dafür mehr analytisches Denken und menschliche Interaktion. Teamfähigkeit und Empathie rücken stärker in den Fokus, Kreativität und analytisches Vorgehen gewinnen an Bedeutung. Zudem sind sie sehr wissensintensiv und werden weitere Spezialisierungen auf Basis akademischer Qualifikationen erfordern. Dies verändert auch die Rolle der Führungskräfte selbst und macht sie komplexer.
Sowohl Unternehmen als auch Führungskräfte müssen lernen, den zukünftigen Bedarf an Fähigkeiten für sich selbst und ihre Mitarbeiter zu prognostizieren. Es wird eine präzise Analyse der sich wandelnden Berufsprofile notwendig, um den Herausforderungen des Wandels proaktiv zu begegnen und sich auf die neuen Bedingungen des Arbeitsmarktes einzustellen.
Wer jetzt vorausschauend agiert und einen beruflichen Plan entwickelt, kann seine Karriere im Topmanagement vorantreiben und sich langfristig erfolgreich positionieren.
Zögernde werden hingegen den Anschluss verlieren und weniger Karrierechancen geboten bekommen, wenn es zu signifikanten Veränderungen durch KI im Unternehmen kommt.
6. Herr Verfürth, wie kann ein Plan zur beruflichen Neuorientierung aussehen, bei dem KI und Leadership Kompetenzen einen erfolgsentscheidenden Einfluss haben?
Ein umfassender Plan für die berufliche Neuorientierung könnte folgendermaßen gestaltet werden. Zunächst ist es entscheidend, eine tiefgehende Selbstanalyse durchzuführen, um die eigenen Kompetenzen und Potenziale für Entwicklung zu identifizieren. Auf dieser Grundlage lässt sich eine zielgerichtete Karrierestrategie im Topmanagement formulieren, um in einer zunehmend von KI geprägten Arbeitswelt erfolgreich zu sein. Es gilt, klare kurz- und langfristige Ziele zu definieren und eine Vision für die eigene berufliche Zukunft als Führungskraft zu entwickeln.
Der nächste Schritt wäre die Erstellung eines detaillierten Aktionsplans, der Weiterbildungsmöglichkeiten im Bereich der KI und Leadership, den Aufbau eines Netzwerks mit KI-Experten, das Erlernen fortschrittlicher Managementmethoden und ein vertieftes Verständnis für die digitale Transformation beinhaltet. Um eine ganzheitliche Entwicklung und Anpassung an neue berufliche Herausforderungen zu gewährleisten, sollte der eigene Karriereplan als Führungskraft nicht nur die Steigerung der Kompetenzen im Umgang mit KI und Leadership umfassen. Es sollte auch Strategien zur Steigerung der eigenen Sichtbarkeit und Positionierung im gewünschten Berufsfeld enthalten, damit man auch entsprechend wahrgenommen wird.
Aufgrund des zunehmenden Einflusses von KI auf unsere Arbeitsweise wird ein Umdenken in der beruflichen Entwicklung unerlässlich.
Die Verschmelzung von Technologie und menschlicher Interaktion erfordert eine neue Perspektive auf die Rolle des Einzelnen im Unternehmen. Denn traditionelle soziale Strukturen können mit diesem Wandel und der Komplexität nicht Schritt halten, was zu einer Überforderung vieler führt. In zukünftigen technosozialen Arbeitswelten ist es daher essenziell, den Menschen im Mittelpunkt zu behalten. „Human Companionship“ gewinnt an Bedeutung – ein Konzept der menschlichen Begleitung, das vom Zukunftsinstitut aus dem Megatrend New Work abgeleitet wurde und auch den Bereich Human Resources (HR) grundlegend verändern wird. Menschen werden mehr verlässliche Begleiter für ihre berufliche Laufbahn benötigen, denn Karrierepfade werden zunehmend unkonventioneller.
Die Vorstellung von einer linearen Karriereleiter weicht zunehmend der Realität, dass Karrieren aus einer Vielzahl von Mikro-Entscheidungen bestehen, die individuell getroffen werden müssen.
Professionelle Karriereberatung wird zu einem wesentlichen Element, um diese individuellen und atypischen Karrierewege zu unterstützen. Das begleitende Executive Coaching kann dabei neue Perspektiven und Chancen für die eigene Entwicklung aufzeigen und die nächsten Schritte strukturiert begleiten.
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Übder den Deutschen Führungskräftetag 2024
Herr Angst, was können wir bei dieser Veranstaltung erwarten?
Roland Angst: Am 13. Juni wollen wir in Berlin unter dem Leitmotto „Führung mit Intelligenz“ zu den Schwerpunkten Zukunft des Industriestandortes, KI und Arbeitswelt sowie Mitbestimmung der leitenden Angestellten diskutieren. Unter anderem mit Bundesfinanzminister Christian Lindner, dem Hessischen Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori sowie CDU-Generalsekretär Dr. Carsten Linnemann. Außerdem mit VCI-Präsident Dr. Markus Steilemann, Prof. Dr. Theresa Treffers und dem Wirtschaftsphilosophen Anders Indset. Wir freuen uns, wenn auch Sie hier ihre Stimme einbringen sowie die vielen Angebote zur Fortbildung rund um das Thema Leadership an dem Tag nutzen.
Alle Infos zum Programm gibt es unter: www.ula.de/fuehrungskraeftetag.
Herr Verfürth, wie ist The Boardroom daran beteiligt?
Claus Verfürth: The Boardroom ist Sponsoringpartner der Veranstaltung und mit einer Deep Dive Session am Nachmittag vertreten. Das Thema lautet „Transformation in der Praxis: Berufliche Neuorientierung als Führungskräfte mitgestalten“. Wir freuen uns, wenn zahlreiche Besucher teilnehmen würden und es einen offenen und konstruktiven Austausch gibt.
Vielen Dank an Herrn Angst und Herrn Verfürth für das informative und inspirierende Interview.
Roland Angst ist Präsident der ULA – Deutscher Führungskräfteverband. Er ist zusätzlich als Führungskraft im Geschäftskundenvertrieb der Telekom seit 2013 Vorsitzender des Konzernsprecherausschusses der Deutschen Telekom AG. Zudem ist er Vorsitzender des Sprecherausschusses der Telekom Deutschland GmbH und Mitglied im Aufsichtsrat dieser Gesellschaft. Im ULA-Mitgliedsverband „syntra – Das Managementnetzwerk der Deutschen Telekom e.V.“ ist er seit 2011 stellvertretender Vorsitzender im Bundesvorstand.
The Boardroom unterstützt Top-Führungskräfte in jeder Phase ihrer Karriere.
Mit langjähriger Erfahrung in der Beratung, individuellem Coaching und vielfältigem Netzwerk bringen wir Sie voran. Lernen Sie uns kennen: Kontakt The Boardroom.
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[Bildnachweise: © Adobe Stock – Igor Link, © iStock – metamorworks, Portraits: Ronald Angst / Claus Verfürth]