Innovation dank Missgeschick: Warum Führungskräfte über Fehler sprechen sollten

Innovation dank Missgeschick: Warum Führungskräfte über Fehler sprechen sollten

Innovation dank Missgeschick: Warum Führungskräfte über Fehler sprechen sollten 1024 683 Claus Verfürth

Sie kennen und nutzen sicherlich auch viele der folgenden Produkte: Eis am Stiel, Post-it, Tesafilm, Mikrowelle, Teflon, Penicillin, Porzellan oder Hartgummi (Goodyear Reifen). Was haben diese erfolgreich etablierten Produkte gemeinsam? Sie sind durch Fehler und Missgeschicke entstanden.

Jeder macht Fehler und die Frage ist: Wie können wir diese Fehler nutzen, um Chancen, Erfolge und Innovationen entstehen zu lassen? 

Führungskräfte sprechen nicht gerne über die eigenen Fehler

Die kürzlich veröffentlichte EY-Studie „Fehlerkultur Report 2023“ belegt, dass Führungskräfte eine Fehlerkultur im Unternehmen als sehr wichtig ansehen, jedoch 64 Prozent der befragten Führungskräfte ihre eigenen Fehler überhaupt nicht oder nur teilweise zugeben. Zu den Hauptgründen zählen die Sorge vor Karrierenachteilen (68 Prozent) und Angst vor Jobverlust (53 Prozent). Teilweise werden Fehler sogar aktiv vertuscht, aus Angst beim Überbringen schlechter Nachrichten zum Bauernopfer zu werden (44 Prozent) oder falsch verstandener Loyalität zum Arbeitgeber (40 Prozent).  

Das Ergebnis zeigt: Fehler sind ein Tabu-Thema, Angst übertrifft den Lernfaktor. Was die Fehlerkultur angeht, ist Deutschland im internationalen Vergleich auf Platz 60 fast Schlusslicht – nur Singapur liegt dahinter. Prof. Michael Frese der Universität Lüneburg und Experte für Fehlerkultur in Unternehmen beschreibt es etwa so:  

In den USA heißt es auch vom CEO: „Ich habe einen Fehler gemacht…“, in Japan hat die Entschuldigung einen hohen Stellenwert: „Die ganze Firma hat den Fehler gemacht…“, in Deutschland: „Die anderen haben den Fehler gemacht…“.  

Das Streben nach Perfektion bringt Qualität „made in Germany“, aber geht etwas schief, sind Schuldzuweisungen auch typisch deutsch. Der Schuldige muss die Konsequenzen tragen, ein Positionsverlust von Top-Führungskräften wird als Versagen angesehen. Lerneffekte bleiben aus. Doch das bekannte „Nobody ist perfect“ gilt auch für Deutsche – fehlerfreies Arbeiten ist unmöglich!  

Andere Untersuchungen zeigen, dass Topmanager nicht an Fachkompetenz scheitern, sondern daran, dass sie eine falsche Strategie verfolgen und es an Führungskompetenzen fehlt – sie sind überheblich und üben eine falsche Form der Kritik. Aus den Erfahrungen unserer Karriereberatung für Top-Führungskräfte wissen wir, dass eine Analyse und Reflektion möglicher eigener Fehler hilfreich sind. Wenn man zunächst nicht gerne mit Kollegen darüber sprechen möchte, hilft ein erster offener Austausch mit einem neutralen Sparringspartner außerhalb des Unternehmens, um die Dinge klarer zu sehen. Statt zu fragen „Wer hat Schuld?“ sollte es heißen „Was kann ich oder können wir aus den Fehlern lernen?“ Der Vorteil: Sowohl die Führungsqualitäten als auch der Mehrwert für das Unternehmen werden erheblich verbessert. So erhöhen Führungskräfte ihre eigene Wirksamkeit und auch die ihres Teams. 

Success & Fail

Eine gute Fehlerkultur ist wichtig für die Innovationskraft

Fehler sollten als Teil des Lernprozesses betrachtet werden – für sich selbst, aber auch mit Blick auf das ganze Unternehmen. Laut Studie sehen 51 Prozent der Führungskräfte eine mangelnde Fehlerkultur als Gefahr für die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit Ihres Unternehmens an. Um dem entgegenzuwirken, können Unternehmen verschiedene Maßnahmen zur Verbesserung der Fehlerkultur anbieten. So wünschen sich die Befragten vor allem Innovationsprogramme zum Ausprobieren (53 Prozent), ein Vergütungssystem, das Experimente fördert (51 Prozent) und Arbeiten mit innovativen und agilen Methoden wie Scrum oder Design Thinking (49 Prozent). Auch moderne Arbeitsbedingungen wie hybride Arbeit oder New Work tragen demnach zur Verbesserung der Fehlerkultur bei. 

Zur Etablierung einer positiven Fehlerkultur haben Führungskräfte eine entscheidende Rolle. Oft können schon kleine Verhaltensänderungen in der Kommunikation entscheidend sein, insbesondere durch das Zugeben eigener Fehler, das direkte Beheben von Fehlern und die Ermutigung zu einem regelmäßigen Austausch. 

5 Tipps, wie Führungskräfte eine starke Fehlerkultur fördern können

Unabhängig davon, ob Sie als Führungskraft selbst oder Ihre Mitarbeiter Fehler gemacht haben – Sie können Fehler als Chance nutzen, indem sie:  

  1. Fehler als Teil des Lernprozesses betrachten. Fehler sind eine natürliche Konsequenz des Ausprobierens und Lernens. Seien Sie ein Vorbild, indem Sie als Führungskraft bereit sind, selbst Fehler zu machen und diese offen zu diskutieren. Dies zeigt Ihren Mitarbeitern, dass Fehler nicht nur normal sind, sondern auch zum Lernen und zur Verbesserung beitragen.
  2. Offen für Feedback sein. Ermutigen Sie Ihre Mitarbeiter, Feedback zu geben und offen über Fehler zu sprechen. So können Sie die Ursachen für Fehler ermitteln und neue Lösungen entwickeln. 
  3. Eine positive Einstellung beibehalten. Behalten Sie auch bei Misserfolgen eine positive Einstellung bei, um daraus lernen zu können. 
  4. Neues ausprobieren. Schaffen Sie ein sicheres Umfeld, in dem Mitarbeiter keine Angst vor Konsequenzen haben müssen. Ermutigen Sie Ihre Mitarbeiter, Risiken einzugehen, Ideen zu testen und neue Wege zu gehen.
  5. Fehler diskutieren. Stellen Sie sicher, dass Fehler in der Organisation diskutiert werden, um zu verstehen, wie sie vermieden werden können. So können Sie zudem schnell auf Probleme reagieren, Konflikte vermeiden und bessere Ergebnisse erzielen.

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Fazit: Aus Fehlern entstehen Chancen und Innovationen

Neues entsteht durch Experimentieren. Ob ein Plan oder ein Produkt tatsächlich funktioniert, lässt sich oft erst durch „trial and error“ oder zufällige Missgeschicke herausfinden. Wenn der Mut fehlt oder aus Angst vor Konsequenzen kein Risiko eingegangen wird, gibt es kein Vorwärtskommen. Ein einfaches Beispiel: Wie lernen Kinder laufen? Durch stetiges Üben und dem festen Willen, weiterzukommen: Hinfallen, Aufstehen, Weitermachen – bis es klappt.  

Wie Prof. Michael Frese meint: Jeder macht Fehler, meistens sind diese trivial. Fehler sollten als integraler Bestandteil von sinnvollem Handeln betrachtet werden. Erst wenn man versteht, dass man immer Fehler macht, wird es auch einfacher, diese zuzugeben. 

Wenn man also Fehler zulässt und das Positive darin erkennt, kann man Chancen und Innovationen entwickeln. Führungskräfte können im Unternehmen einen Rahmen schaffen, in dem Fehler gemacht werden können, ohne dass Konsequenzen befürchtet werden müssen. Dies schafft Vertrauen und ermöglicht es den Mitarbeitern, ihre Ideen zu teilen und zu experimentieren. Sicherlich ist es nicht leicht, eine gute Fehlerkultur im Unternehmen zu etablieren. Doch letztendlich profitieren alle davon. 


Quellen: 

Benötigen Sie einen neutralen Sparringspartner? Mit unseren erfahrenen Executive Coaches können Sie sich offen und ehrlich austauschen.

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[Bildnachweise: © iStock – ElenaMist / AdobeStock – adragan]

Claus Verfürth

Claus Verfürth ist Managing Director und Partner bei The Boardroom, dem von Rundstedt Beratungsbereich für Top-Manager.

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