Im Topmanagement verschwimmen die Grenzen zwischen Person und Position. Das liegt in der Natur der Sache, denn die meiste Zeit des Tages verbringen Senior Executives mit der Ausübung ihrer Rolle als CEO, CFO, Vice President, usw. Alle Fäden laufen bei ihnen zusammen und suggerieren ein Bild der Unersetzlichkeit. Aber ist das wirklich so? Ist der Dreh- und Angelpunkt die Person? Oder gilt die Aufmerksamkeit doch „nur“ der Position? Und was passiert, wenn Topmanager ihren Job verlieren und auf ihre (Privat-)Person zurückfallen?
Interdependenzen zwischen Position und Persönlichkeit
Im Topmanagement braucht es Persönlichkeiten, die klare Kante beweisen, unpopuläre Entscheidungen treffen können und Macher sind. So liegt der Verdacht nahe, dass bestimmte Positionen in Unternehmen auch in enger Verbindung zu gewissen Persönlichkeitsmerkmalen stehen. Wer sowohl kühn und strategisch, als auch clever agiert und führt, wird eher eine Spitzenposition erreichen als derjenige, der es grundsätzlich allen recht machen möchte.
Die produktive Kraft des Topmanagers ist enorm wichtig, aber es spielt dabei keine Rolle, ob ein Herr X oder ein Herr Y diese Kräfte anstrengt.
Ihre Erfolge zählen – innerhalb der Rolle
Als Senior Executive wird Ihnen niemand in Abrede stellen, dass Sie sich Ihre Kompetenzen und Erfolge hart erarbeitet haben, um die Topführungsposition bekleiden zu können. Ihre Position löst sich natürlich nicht vollständig in Ihrer Person auf. Sie sind und bleiben eine individuelle Persönlichkeit und nicht jeder Ihrer Mitarbeiter wird Sie ausschließlich als Träger einer Rolle wahrnehmen. Machen Sie sich aber dennoch bewusst, dass Sie in erster Linie eine Rolle zu erfüllen haben – unabhängig Ihrer individuellen Persönlichkeit. Bestenfalls spielen Ihnen wichtige Persönlichkeitsmerkmale positiv in die Karten, aber ob Sie oder ein Anderer Ihren Job macht …
Position als Katalysator der Persönlichkeit?
Je zahlreicher und komplexer die Bereiche sind, aus denen sich Ihre Persönlichkeitsstruktur zusammensetzt, desto eher können Sie den Verlust eines dieser Bereiche – zum Beispiel den des Jobs – durch die übrigen kompensieren. Manchen Executives wird das erst bewusst, wenn sie ihre Position verlieren. Sie werden von heute auf morgen auf Ihre Person zurückgeworfen.
Leicht erkennbar wird die Trennung von Person und Position bei der Ansprache des eigenen Netzwerkes auf der Suche nach einer neuen Aufgabe. Gestern haben Sie sich noch als Magnet empfunden, der eine hohe Anziehungskraft auf seine Umgebung auslöst, mit dem viele gerne in Kontakt treten. Und heute?
Heute stellen Sie fest: Ein Großteil der Aufmerksamkeit war Ihrer Position geschuldet.
Ein gesundes Selbstbewusstsein schützt
Die wenigsten Senior Executives gehen in die Selbstreflexion, solange sie ihre Position im Unternehmen innehaben. Dabei ist es wichtig, sich selbst von Zeit zu Zeit kritisch zu fragen: „Gilt all die Aufmerksamkeit mir?“ Führungspositionen verlangen zwar einerseits die Verschmelzung des Selbst mit ihren Aufgaben. Andererseits sind Sie gut beraten, einen gesunden Abstand zwischen Ihrer individuellen (Privat-)Person und Ihrer Rollenfunktion im Unternehmen zu halten. Denn: als Senior Executive blicken Sie nicht nur auf Erfolge zurück, sondern auch auf Erfahrungen, die lehrreich waren.
Fremdbild und Selbstbild in Einklang bringen
Vermutlich haben Sie hart für Ihren beruflichen Aufstieg gearbeitet und viel Zeit investiert. Soziale Kontakte oder Netzwerkpflege bleiben dabei jedoch häufig auf der Strecke. So nimmt die Rolle des erfolgreichen Firmenlenkers mit der Zeit wesentlich mehr Raum ein und wird zum zentralen Pfeiler des eigenen Selbstbilds. Andere identitätsstiftende Rollen werden immer weiter verdrängt: Person und Position im Unternehmen sowie in der Selbstwahrnehmung verschmelzen.
Welches Loblied dem Menschen und welches der Position gesungen wird, kann oft nicht unterschieden werden.
Es ist sinnvoll, sich im Vorfeld darüber Gedanken zu machen und sich dieser Tatsache bewusst zu sein. Ohne Position fallen Sie auf Ihre Person zurück und diese sollte angereichert sein mit Zielen oder Inhalten, die unabhängig von Ihrer Position sind. Behalten Sie während Ihrer aktiven Karriere die Bodenhaftung. Dann werden Sie, mit hoher Wahrscheinlichkeit, den Verlust der Position, ob freiwillig oder unfreiwillig, leichter nehmen können. Sie verlieren nämlich dann „nur“ Ihren Job, aber nicht Ihren Lebensinhalt.
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