Wir erinnern uns an die Corona-Pandemie: Die gesamte Welt und die Unternehmen fanden sich quasi über Nacht in einem höchst volatilen Umfeld wieder, mit Unsicherheiten in einer bis dahin selten erlebten Dimension. Was sich im Umgang miteinander und im Führungsverhalten während dieser globalen Krise veränderte, lässt sich exemplarisch anhand der Arbeitsweise eines unternehmensinternen Corona-Krisenstabes beschreiben, der in den meisten Unternehmen etabliert wurde.
Die folgenden 7 Aspekte beleuchten das Verhalten in der Krise und zeigen auf, was wir daraus für aktuelle und zukünftige Krisen lernen können.
Führen im Krisenmodus
Teil 1: Verantwortung – Kommunikation – Agilität – Entscheiden
1. Das Ende der „To-do-Listen“
Die gewohnten Elemente eines Meetings mit Agenda, entscheidungsorientierten Vorlagen, Protokoll und To-do-Listen wich täglichen, morgendlichen Besprechungen des Krisenstabs. Maximal 60 Minuten, immer zur selben Uhrzeit. Mit Anwesenheitspflicht eines kleinen Kernteams, fallweise und sachbezogen um Teilnehmer erweitert, falls es für das jeweilige Thema nützlich war.
Die Agenda entfiel ersatzlos, ebenso die Präsentationen und Protokoll. An deren Stelle traten kurze Statusberichte der Teilnehmenden, fokussiert auf Problemstellung, Aktion, Ergebnis und nächste Schritte. To-do-Listen wurden durch die Eigenverantwortung jedes Einzelnen im Krisenstab ersetzt. Die Aussage „Ich übernehme das …“ genügte. Aufgaben wurden proaktiv übernommen, abgearbeitet und das Ergebnis ohne Aufforderung allen zur Verfügung gestellt. Ganze Stäbe konnten sich damit dringenderen Aufgaben widmen.
Erkenntnis: Es fühlt sich gut an, Verantwortung zu übernehmen und seinen Beitrag für das gemeinsame Ziel zu leisten.
2. „Die Verbannung des Konjunktivs“
Wie sehr haben wir uns in Diskussionen an Redewendungen gewöhnt, wie: „Man sollte …“, „Könnte jemand …“, oder „Wir müssten …“. Das Argument ist vorgebracht, der Punkt ist gemacht. Mit genügend Distanz zwischen Aussage und Sprecher. Meist ohne Festlegung, wer mit „man, wir, jemand“ denn nun gemeint ist, oder wessen Verantwortung dies nun ist.
Der Konjunktiv wurde aus dem Vokabular des Krisenstabs verbannt. Es galt, direkt und klar in der Aussage zu sein. Eindeutig trennend zwischen Lagebeschreibung und Lagebeurteilung. Wertschätzend in der Wortwahl, auch weil sehr oft direkte, unmissverständliche Anweisungen erteilt wurden, da die Situation keine Diskussion, sondern Handeln erforderte. Und wenn in der Hitze des Gefechts verbal doch mal was danebenging, war es kein Beinbruch. Ein rasches „Tut mir leid …“ half größtenteils.
Ebenso erfolgskritisch ist die ganzheitliche Einbindung aller Stakeholder im Unternehmen. Hierbei sind eine eindeutige Kommunikationsverantwortung genauso wichtig wie die empfängerorientierte Sprache.
Erkenntnis: Mit klaren Botschaften und eindeutigen Kommunikationskaskaden gelingt es, der gesamten Organisation Orientierung zu geben.
3. Weniger „Paralyse durch Analyse“
In einer Situation, in der Nicht-Wissen normal und abgesicherte Informationen faktisch unmöglich sind, sind die sonst praktizierten Analyseschleifen nicht zielführend. Die öfter gehörte Bitte am Ende einer Diskussion „Nehmen Sie das bitte doch nochmals mit…“, wich der Erkenntnis, dass schnelles Handeln, gesunder Menschenverstand, viel Bauchgefühl und Ausprobieren das Erfolgsmotto schlechthin sind. Paralyse durch Analyse war nicht opportun.
Es galt, unkonventionelle Wege zu denken und zu gehen. Kreativität war gefragt. Wenn sich herausstellte, dass etwas gut funktionierte, wurde es zum Standard erklärt. Sonst galt es etwas Neues zu finden. Ohne lange Rechtfertigungen und Root-Cause-Analysen. Aufgeben war keine Option.
Erkenntnis: Agiles Arbeiten und projekthafte Spints wurden im Krisenmodus einem ultimativen Härtetest unterworfen und deren kreative Energie für den Business-Kontext neu wertgeschätzt.
4. „Downward-Delegation“
Nicht selten erleben wir eine „Upward-Delegation“: Entscheidungen werden aus Angst vor Fehlern an höhere Führungsebenen weitergegeben. Wenn sich diese Spirale über mehrere Hierarchieebenen fortsetzt, wird der CEO der bestbezahlte Sachbearbeiter. Und die gesamte Organisation lähmt sich selbst, mit gravierenden Konsequenzen.
In der Krisenstabsarbeit war das Entscheiden unter Unsicherheit die Regel und das Weiterdelegieren von Entscheidungen keine Option. Also galt es, mit dem Unwissen zu leben und im Sinne der Mitarbeiter und des Unternehmens nach bester Einschätzung der jeweiligen Lage zu entscheiden.
Der Satz: „Ich entscheide dies jetzt …“, oder „Ich übernehme die Verantwortung für …“ war gerade anfangs eine Herausforderung für alle. „Können oder dürfen Sie das überhaupt, ist das denn mit … abgestimmt?“ stand oft ausgesprochen oder als stummes Fragezeichen im Raum. Ohne böse Absicht. Es war einfach ungewohnt, die Übernahme von Entscheidung oder Verantwortung so eindeutig und unzweifelhaft zu hören.
Erkenntnis: Wichtig ist, dass Entscheidungen trotz Unsicherheit getroffen werden. Fehleinschätzungen passieren, besonders wenn sich Situationen schnell ändern. Gerade dann ist es entscheidend, rasch zu korrigieren. Die Suche nach dem Schuldigen tritt in den Hintergrund, eine offenere Fehlerkultur entwickelt sich.
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Fazit Teil 1: Führen im Krisenmodus erfordert stetige Resilienz
Die Corona-Pandemie schien erst der Anfang von vielen weiteren Krisen zu sein und „Krisenmodus“ wurde schließlich das Wort des Jahres 2023. Angesichts stetiger Veränderungen und wiederkehrender Krisen etabliert sich das Führen im Krisenmodus als Standardrepertoire für Topmanager.
Folgende Aspekte bedürfen dabei einer noch größeren Aufmerksamkeit:
- Verantwortung übernehmen: Das gemeinsame Ziel in den Vordergrund stellen
- Klare Kommunikation: Orientierung für alle Beteiligten schaffen
- Agilität: Kreativ neue Wege finden
- Entscheiden trotz Unsicherheit: Offene Fehlerkultur zulassen
Sie bilden das Rückgrat einer resilienten Führungspersönlichkeit, die Teams sicher durch Zeiten der Ungewissheit steuert. Die Erfahrungen aus der Corona-Pandemie haben verdeutlicht, dass Krisenzeiten zwar voller Herausforderungen stecken, aber ebenso Raum für Innovation und Entwicklung bieten. Der erste Teil dieses Beitrags hat die Wichtigkeit dieser vier Schlüsselelemente hervorgehoben und Wege aufgezeigt, wie sie in der Führungspraxis angewandt werden können, um eine effektive Leitung im Krisenmodus zu sichern.
Im folgenden Teil werden zusätzliche Strategien vorgestellt. Die Fortsetzung folgt in Kürze:
Führen im Krisenmodus – Teil 2: Unternehmerisch Handeln – Vertrauen – Empathie
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