An diesen Moment erinnere ich mich gut: Ich war 30 Jahre alt, in einem wachsenden Fortune 500 Unternehmen für Unternehmensstrategie zuständig und arbeitete für einen ziemlich genialen Firmenchef. Eines Tages kam ich in sein Büro und stellte ihm begeistert eine neue Idee vor, die ich umsetzen wollte und die nach meiner Überzeugung viel einbringen würde.
Mein Chef hörte zu, machte mich scharfsichtig auf ein paar Schwächen in meinem Konzept aufmerksam und referierte eloquent darüber, wie er es machen würde. Ich ging raus, war immer noch sehr überzeugt von meinem Chef – aber nicht mehr von mir. Und meine Idee fühlte sich nicht mehr wie meine an, sondern wie seine …
Marshall Goldsmith öffnete mir die Augen
Viele Jahre danach dachte ich immer noch, das wäre in Ordnung und müsse so sein. Noch mehr. Ich hatte diese Verhaltensweise von meinem damaligen Chef gelernt und hielt mich für sehr smart und Nutzen stiftend, wenn ich zielsicher die kleine Schwäche in der Idee eines Mitarbeiters fand und sie ausmerzte.
Dann öffnete mir Marshall Goldsmith die Augen. Marshall Goldsmith ist Coach für Top-Manager und hat das wunderbare Buch „What Got You Here Won’t Get You There“ geschrieben.
Er geht der These von Peter Drucker nach, der sagte: „Wir investieren eine Menge Zeit, Führungskräfte zu lehren, was sie zu tun haben. Wir verbringen zu wenig Zeit damit, ihnen beizubringen, was sie sein lassen sollten. Die Hälfte der Führungskräfte, die ich getroffen habe, müssen nicht lernen, was sie zu tun haben. Sie müssen lernen, was sie nicht mehr tun sollten.“ (übersetztes Zitat aus „What Got You Here Won’t Get You There“, Kapitel „Knowing What To Stop“)
Je weiter an die Spitze Führungskräfte kommen, umso relevanter wird das Verlernen schlechter Angewohnheiten.
Marshall Goldsmith hat aus seiner Beratungsarbeit mit CEOs 20 unproduktive Verhaltensweisen herausgearbeitet. Beim Lesen hatte ich viele Aha-Erlebnisse: „So einen kenne ich“ oder „Das mache ich doch auch“.
Für einen ersten Überblick zu den 20 Verhaltensweisen aus Goldsmiths Buch empfehle ich Ihnen diesen kurzen Youtube-Clip:
Meine schlechte Eigenschaft: Zu viel Mehrwert stiften
Natürlich findet sich hier auch meine schlechte Angewohnheit. Sie nennt sich bei Marshall Goldsmith „zu viel Mehrwert stiften“. Das Problem liegt auf der Hand: Ich mache das Konzept meines Mitarbeiters um vielleicht 5 % besser, reduziere aber das Commitment für die Umsetzung um 50 %.
Was gewonnen ist, wiegt niemals das Verlorene auf. Goldsmith verbindet mit dieser schlechten Eigenschaft eine wichtige Lehre: Je mehr jemand die Ränge eines Unternehmens emporklettert, umso mehr geht es darum, andere zu Gewinnern zu machen anstatt selbst zu gewinnen.
Sie brauchen eine To-Stop-Liste!
Ich liebe dieses Buch und kann es Ihnen nur empfehlen, weil es kurzweilig durch 20 schlechte Angewohnheiten führt, die jeder von uns kennt. Ein echter Augenöffner. Das Konzept dahinter ist einfach: Es geht ums Aufhören. Anstelle einer To-Do-Liste brauchen Top-Führungskräfte eine To-Stop-Liste. Das ist einfach – aber natürlich nicht leicht.
Anstelle einer To-Do-Liste brauchen Top-Führungskräfte eine To-Stop-Liste.
Ich kann Sie beruhigen: Niemand von uns ist aller 20 schlechten Angewohnheiten schuldig. Es geht um zwei oder drei, denen wir uns widmen sollten. Und einfach damit aufhören. Der Effekt ist erstaunlich. Bedenken Sie: Bis hierher sind Sie nicht wegen, sondern trotz dieser Verhaltensweisen gekommen. Stellen Sie sich vor, welche Potenziale frei werden, wenn Sie mit Ihren schlechten Angewohnheiten aufhören.
Ich wünsche Ihnen eine gute Lektüre und hilfreiche To-Stop-Vorsätze für 2017!
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