Berufliche Neuorientierung: Auch für Top-Manager eine besondere Herausforderung

Berufliche Neuorientierung: Auch für Top-Manager eine besondere Herausforderung

Berufliche Neuorientierung: Auch für Top-Manager eine besondere Herausforderung 1024 560 Claus Verfürth

Der steigende Grad der Internationalisierung, immer komplexere Un­ter­neh­mens­struk­tu­ren und schnellere Kommunikationswege erhöhen die An­for­de­run­gen an das Top-Management. Zugleich ist die Geduld von Aufsichtsräten oder Inhabern gesunken, der Verfolgung einer sinnvollen Strategie mehr Zeit zu geben – vielleicht auch vor dem Hintergrund, irgendwann einmal selbst dafür in die Verantwortung genommen zu werden. Damit sind auch immer häufiger Wechsel an der Unternehmensspitze an der Tagesordnung. Der Schlüssel, um möglichst nahtlos eine adäquate Anschlussbeschäftigung zu finden, sind breitgefächerte, branchenübergreifende Netzwerke.

Doch gerade daran mangelt es Top-Managern häufig. Sie sind zwar in der eigenen Branche gut „verdrahtet“, haben aber oft keine ausgeprägten bran­chen­frem­den Kontakte. Sind Top-Manager gezwungen, sich beruflich neu zu orientieren, sollte die (Re-)Aktivierung des eigenen Kontaktnetzes einer der ersten Schritte sein. Dies gilt insbesondere für den im Umbruch befindlichen Banken- und Finanzsektor, der nicht in der Lage ist, allen suchenden Managern eine neue Perspektive zu bieten.

Der Druck auf Unternehmenslenker steigt: Denn aufgrund der steigenden Anforderungen, müssen auch Entscheidungen in immer kürzerer Zeit ge­trof­fen und Veränderungsprozesse immer schneller umgesetzt werden. Die Auswirkungen von Entscheidungen z.B. auf die Entwicklung der Aktienkurse sind zunehmend weitreichender. Denn das Handeln von Top-Managern wird immer transparenter und direkt in der Öffentlichkeit diskutiert. Damit sinkt gleichzeitig der Spielraum, um die Entscheidungen, die sich als falsch herausstellen, zu revidieren.

Ablösung des Top-Management als sichtbares Zeichen einer Kurskorrektur

Hinzu kommt, dass Entscheidungen auf Top-Manager-Ebene in der öf­fent­li­chen Wahrnehmung stark mit der Person verknüpft werden, die sie ver­meint­lich trifft bzw. unterstützt. Somit sind die Entscheider auch die ersten, die die Verantwortung übernehmen müssen, wenn in der Folge eine (vielleicht nur kurzfristige) negative Entwicklung eintritt. Die Ablösung des Top-Managements soll das sichtbare Zeichen nach außen sein, dass im Unternehmen eine Kurskorrektur erfolgt.

Top-Manager sind die ersten, die die Verantwortung übernehmen müssen, wenn eine negative Entwicklung eintritt.

Deswegen versuchen Top-Manager sich zunehmend abzusichern, in dem sie Entscheidungen im Team sozialisieren und darüber hinaus vielfach zusätzlich durch externe Gutachten stützen wollen. Dies führt aber wiederum dazu, dass Entscheidungsprozesse immer länger dauern und Manager sich mitunter dem Vorwurf der Untätigkeit ausgesetzt sehen, was ebenfalls eine Trennung vom Unternehmen zur Folge haben kann. Der Teufelskreis ist perfekt.

Karrierenauszeit ist immer häufiger eine bewusste Entscheidung

Darüber hinaus entscheiden sich immer mehr Vorstände und Geschäftsführer, ihren Karriereweg zu überdenken, und daher ihre Verträge nicht zu verlängern oder zu kündigen. Ob aus freien Stücken oder gezwungener Maßen, die meisten Top-Führungskräfte unterschätzen die Veränderung, die das Räumen des Chefsessels mit sich bringt. Sie sind es gewohnt, dass sich ein Termin an den nächsten reiht und die Assistenz bei administrativen Aufgaben unterstützt. Mit dem Ausstieg aus dem Unternehmen fallen diese gewohnten Abläufe weg. Plötzlich sind die ehemaligen Top-Führungskräfte den ganzen Tag zu Hause, müssen sich und ihren Tagesablauf selbst organisieren. Oft stellen sie auch fest, dass Einladungen zu Business-Lunches und Netzwerktreffen ausbleiben. Ihnen wird bewusst, dass sie oftmals nur aufgrund ihrer Funktion und der damit verbundenen Einflussmöglichkeiten ein geschätzter Netzwerkpartner waren, nicht aufgrund ihrer Person.

Eine neue Rolle finden

Für die Findung ihrer neuen Rolle wünschen sich Spitzenmanager an solchen Wendepunkten oft einen neutralen Sparringspartner auf Augenhöhe, mit dem sie über ihre Erfahrungen sprechen, Ideen austauschen, Strategien für den nächsten Karriereschritt entwickeln und sich neue Netzwerke erschließen können. Nur selten findet man einen Gesprächspartner im eigenen Freundes- und Bekanntenkreis, der in der Lage ist, Situationen, die mit einer Top-Position verknüpft sind, aus eigener Erfahrung einzuschätzen und die richtigen Schluss­fol­ge­run­gen daraus zu ziehen. Externe und unabhängige Berater können eine wertvolle Unterstützung liefern.

Statt eines „Weiter-So“ lautet der Wunsch immer häufiger, in anderen Branchen oder Bereichen etwas verändern oder bewegen zu wollen.

„Weiter-So“ oder den Neuanfang wagen

Das fordernde und durchgetaktete Tagesgeschäft an der Unternehmensspitze führt bei vielen Managern auch dazu, dass sie sich über Jahre gar nicht mehr mit ihren eigenen Stärken und Motivationsfaktoren beschäftigt haben. Sie brauchen erst einmal Zeit und gezielte Denkanstöße, um sich mit ihrer weiteren Berufs- und Lebensplanung auseinanderzusetzen und auch Optionen wie einen Branchenwechsel, den Schritt ins Ausland oder in eine Selb­stän­dig­keit in Betracht zu ziehen. Statt eines „Weiter-So“ lautet der Wunsch immer häufiger, in anderen Branchen oder Bereichen etwas verändern oder bewegen zu wollen. Auch in den obersten Hierarchie-Ebenen bestätigt sich damit der Trend zur Mosaikkarriere. Der klassische Aufstieg auf der Karriereleiter wird dabei zunehmend abgelöst von einer Vielzahl unterschiedlicher Be­schäf­ti­gun­gen wie Projektarbeiten, grundsätzlichen Auszeiten, Linienverantwortung oder auch ehrenamtlichem Engagement.

Auch Gedanken an unkonventionelle Wunschpositionen zulassen

Zuweilen verwerfen Top-Manager eine für sie unkonventionelle Wunsch­po­si­tion. Sie befürchten aufgrund mangelnder Kontakte in die Zielbranche oder das Zielland sowieso keine Chance auf Verwirklichung ihrer Traumposition zu haben. Denn Spitzenpositionen werden zum größten Teil weiterhin über Netzwerkkontakte, d.h. den verdeckten Stellenmarkt, besetzt. Mit einem Sparringspartner, der über Zugang zu einem breitgefächerten Ent­schei­der­netz­werk und Personalberatern mit Schwerpunkten in verschiedenen Branchen verfügt, rückt die Wunschposition dagegen in greifbare Nähe.

Die meisten Top-Manager verfügen über mehr Kontakte als ihnen bewusst ist.

Die meisten Top-Manager verfügen über mehr Kontakte als ihnen bewusst ist. Kontakte, die seit dem Verlassen der Top-Position nicht mehr gepflegt wurden oder bereits seit Längerem eingeschlafen sind, verschwinden schnell aus der persönlichen Wahrnehmung – auch weil viele ehemalige Topmanager sich nach dem Verlust ihrer Position in der Rolle eines Bittstellers sehen und sich scheuen, aus dieser ver­meint­lich schwächeren Position an Kontakte anzuknüpfen.

Eine häufige Befürchtung lautet: „Was denken die denn von mir, wenn ich mich erst jetzt wieder melde, wo ich Hilfe brauche?“

Mutig das eigene Kontaktnetz reaktivieren

Diese Angst gilt es hinter sich zu lassen, da sie meist nur im eigenen Kopf existiert. Denn die schlimmste zu erwartende Reaktion ist ein „Nein“. Und selbst dies ist sehr unwahrscheinlich. Die Erfahrung zeigt, dass die meisten Menschen durchaus zu helfen bereit sind, wenn sie um einen Rat gebeten oder als Experten fu?r eine bestimmte Fragestellung oder eine Branche an­ge­spro­chen werden. Auch ehemalige Top-Manager brauchen situationsbedingt Ermutigung, um den ersten Schritt zur Erneuerung des Kontaktes zu machen.

Eine gute Vorbereitung solcher Netzwerk-Gespräche ist das A und O. Top-Manager sind es gewohnt, die Produkte oder Dienstleistungen ihres Un­ter­neh­mens zu präsentieren. Marketing fu?r die eigene Person zu betreiben, ist dagegen für die meisten ungewohntes Terrain.

Mit einer authentischen Positionierung eine Aufgabe finden, die Erfüllung bringt

Überzeugen kann, wer die eigene Positionierung schriftlich und vor allem mündlich authentisch auf den Punkt bringt und auf mögliche kritische Nachfragen der Gesprächspartner vorbereitet ist. Dabei ist ein etwaiges unfreiwilliges Ausscheiden keineswegs ein Hinderungsgrund. Im Gegenteil: Unternehmen wünschen sich auf den obersten Ebenen Manager, die auch schon eigene Erfahrungen in (persönlichen) Krisensituationen gesammelt haben.

Die Bedingungen für die Aufgaben im Top-Management werden sich auf absehbare Zeit nicht verändern. Vor diesem Hintergrund ist es extrem wichtig, den nächsten Karriereschritt nach dem Ausscheiden sinnvoll und strukturiert zu planen und sich auszutauschen mit Spezialisten, die auf Augenhöhe als Sparringspartner zur Verfügung stehen. Die nächste Position soll nämlich nicht irgendeine Aufgabe sein. Sie muss auch ein gutes Stück Erfüllung darstellen in einem Unternehmen, bei dem auch mit dessen Kultur und Werten eine hohe Übereinstimmung vorliegt.

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Claus Verfürth

Claus Verfürth ist Managing Director und Partner bei The Boardroom, dem von Rundstedt Beratungsbereich für Top-Manager.

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