„Alles auf Anfang“ oder „volle Kraft voraus“? Die neue Normalität nach der Pandemie

„Alles auf Anfang“ oder „volle Kraft voraus“? Die neue Normalität nach der Pandemie

„Alles auf Anfang“ oder „volle Kraft voraus“? Die neue Normalität nach der Pandemie 1024 666 Christian Lindner

„Der Mensch ist ein Gewohnheitstier“. Dieser fürwahr sehr alte Spruch scheint sich gerade in der aktuellen Situation für viele Manager als unerwartet große Herausforderung zu erweisen. Denn anders als gedacht scheint es eine „neue“ Entwicklung zu geben, dass manche Mitarbeiter gar nicht mehr unbedingt an ihren alten Präsenz-Arbeitsplatz zurückkehren wollen. Aber zunächst einmal zum Anfang der Geschichte.

Nun scheint es an der Zeit, sich einer neuen Phase – der Post-Corona-Situation – zu widmen.

Als die Welt von der Pandemie erfasst wurde, taten sich in beinahe allen Unternehmen die Entscheider leicht, die notwendigen Entscheidungen zu treffen. Die Sicherheit der Mitarbeiter und das Aufrechterhalten des Geschäftes waren die beiden Grundpfeiler, auf denen sich die Optionen für die zu treffenden Entscheidungen relativ schnell abwägen ließen. Diese Zeit war geprägt von unglaublich vielen Richtungswechseln – bedingt durch immer neue Erkenntnisse im Zusammenhang mit dem Virus. Schnell folgte jedoch so etwas wie Normalität.

Die anfängliche Scheu, sich im Alltag mit einer Maske zu zeigen oder sich regelmäßig testen zu lassen, wich einer Routine, die nur noch dann zum Aufreger wurde, wenn wieder einmal die Maßnahmen in welche Richtung auch immer geändert wurden. Als dann die Impfungen kamen, klang bei vielen Menschen aus meinem Umfeld zusätzlich ein  „bald ist es vorbei“ in ihren Reden mit. Rückschläge durch auftretende Varianten verzögerten zwar den Weg aus der Pandemie etwas, doch nun, nach mehr als zwei Jahren, scheint es an der Zeit, sich einer neuen Phase zu widmen: der Post-Corona-Situation.

Rückkehr zum Status Quo?

In den Gesprächen mit meinen Klienten zeichnen sich dabei drei Strömungen ab. Die erste Gruppe plant dabei die Rückkehr zum Status Quo vor 2020. Alle Mitarbeiter kehren zurück zu ihrem ursprünglich angestammten Arbeitsplatz. Alle, die vor Ausbruch der Pandemie keine Möglichkeit zur mobilen Arbeit hatten, sollen auch wieder zurück ins Büro.

Die ersten Effekte dieser Vorgehensweise sind offensichtlich. Erheblicher Widerstand, zumindest für die Anweisung, wieder vollständig an den Büro-Arbeitsplatz zurückzukehren. Das führt mitunter dazu, dass man sich dauerhaft voneinander trennt. Das ist gerade dann der Fall, wenn das Arbeiten im Home-Office im Laufe der Zeit einen deutlichen Gewinn für den Mitarbeiter erbracht hat. Den Gewinn, den das Unternehmen aus dieser Situation ziehen könnte, haben die Verantwortlichen in solchen Fällen offenbar nicht erkannt.

Hybridlösungen und New Work

Hybridlösungen und New Work

Die zweite Gruppe sind die Unternehmen, die die Gunst der Stunde genutzt haben und zu 100% auf das neue Arbeiten umgestellt haben. Ein Ansprechpartner erzählte mir jüngst, dass man bereits Teilflächen der alten Büros dauerhaft untervermietet hätte. Somit habe man gar nicht mehr genug Platz für den Fall, dass alle Mitarbeiter wieder an die alten Plätze zurückkehren würden. Diese Lösung hingegen führt schlussendlich möglicherweise zur Entfremdung zwischen Mensch und Unternehmen, zu einem erschwerten Onboarding oder zu dem Gefühl, nicht mehr wichtig für die Wertschöpfung zu sein.

Die dritte Gruppe ist die bisher von mir am häufigsten beobachtete. Diese Unternehmen haben sich für eine Mischlösung mit Obergrenzen entschieden und dies bereits kommuniziert oder sogar schon umgesetzt. Die Motivation der Entscheider war manchmal schlicht von einer vermuteten Konfliktvermeidung getrieben. Vor allem in solchen Fällen führt die Veränderung zwar zu einem friedvollen Miteinander, die Frage ist jedoch, zu welchem Preis?. Die Wertschöpfung gerät ins Hintertreffen und eine vielleicht daraus resultierende stagnierende Innovation könnte zu einem weit größeren Problem werden, als es der Konflikt mit dem einen oder anderen Mitarbeiter gewesen wäre.

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Fazit: Die aktuelle Situation bietet riesige Chancen

Der Königsweg liegt meiner Ansicht nach wie so oft in der Mitte. Natürlich ist der Wunsch des Mitarbeiters von elementarer Bedeutung. Noch wichtiger für den Erhalt des Unternehmens sollte allerdings die Frage sein, wie wichtig die Anwesenheit des Mitarbeiters für die Wertschöpfung der jeweils ausgeübten Tätigkeit ist. Ein schlichtes „alles zurück auf Anfang“ verkennt die unglaublich große Chance, die in der aktuellen Situation liegt. Die Prozesse im Unternehmen können jetzt nicht nur aufeinander abgestimmt werden, sondern es ergibt sich zusätzlich noch eine weitere Dimension: „Von welchem Ort aus können die Aufgaben erledigt werden?“.

Das Althergebrachte, dass die Firma und deren Mitarbeiter am gleich Ort zur gleichen Zeit von Nöten sind, hat sich durch die Pandemie selbst auf den Prüfstand gestellt. Die nächsten Monate werden zeigen, in welche Richtung das Pendel ausschlägt und welche der Führungskräfte oder Senior Executives in der Lage sind, diese neue Dimension in ihre Entscheidungsfindung mit einfließen zu lassen. Den Mut dazu sollten sie mitbringen. Ich bin davon überzeugt, dass es sich lohnen wird.

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[Bildnachweise: © iStock – filadendron / fizkes]

Christian Lindner

Christian Lindner ist Director Senior Relations bei The Boardroom, dem von Rundstedt-Beratungsbereich für Topmanager.

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